Skip to content

Reflektionen zum Nato Gipfel

Ein wichtiger Beitrag zur Verarbeitung der Straßbourger Anti-NATO Gipfel Proteste, via IndyMedia:

Nach den Ereignissen um den NATO-Gipfel in Strasbourg Anfang April blieben neben Wut auch Ohnmachtsgefühle und viele Fragen bei den Zurückreisenden bestehen. Was haben die ganzen Gipfelproteste letztendlich gebracht? Welche Eindrücke bleiben nach den Ereignissen bei den Aktivisten und welche bei der (zeitungslesenden) Öffentlichkeit zurück? Was können wir für Rückschlüsse auf unsere Strategie ziehen? Lohnt sich der Aufwand, Proteste gegen die herrschende Eventpolitik zu organisieren? Und: Haben wir es geschafft den Zusammenhang von Kapitalismus, Krise, Aufrüstung und Krieg deutlich zumachen?

Nach den Ereignissen um den NATO-Gipfel in Strasbourg Anfang April blieben neben Wut auch Ohnmachtsgefühle und viele Fragen bei den Zurückreisenden bestehen. Was haben die ganzen Gipfelproteste letztendlich gebracht? Welche Eindrücke bleiben nach den Ereignissen bei den Aktivisten und welche bei der (zeitungslesenden) Öffentlichkeit zurück? Was können wir für Rückschlüsse auf unsere Strategie ziehen? Lohnt sich der Aufwand, Proteste gegen die herrschende Eventpolitik zu organisieren? Und: Haben wir es geschafft den Zusammenhang von Kapitalismus, Krise, Aufrüstung und Krieg deutlich zumachen?

Um der offenbar immer kürzeren Halbwertszeit von Protest-Events entgegen zu wirken und gemeinsam über die eingangs gestellten Fragen zu reflektieren, haben wir in der KTS Ende Mai in Form eines „World-Cafés“ mit ca. 30 Leuten Ideen und Fragen zusammengetragen und diskutiert. Im World-Café sind Themen an Diskussions-Tischen festgelegt, an denen sich kleine Gruppen zusammenfinden, um ihre Ideen in Stichworten auf der Tischdecke zusammenzutragen. Die Themen bleiben an den Tischen, während sich die Diskutierenden in immer neuen kleinen Gruppen finden und das zuvor Festgehaltene ergänzen. Auf diesem Wege können sich alle Beteiligten in die Diskussion einbringen und die Themen erfahren eine ständige Ergänzung, ohne dass die jeweils neuen Gruppen durch den bisherigen Verlauf der Diskussion gedanklich festgelegt sind. Innerhalb vieler lebhafter Gespräche entstand so eine komplexe Mischung aus Gedanken-Fragmenten, die abschließend in kurzen Texten festgehalten wurde. Die Themen der Tische waren: Infrastruktur und Camp; Politische Strategie; Strategie auf der Straße; Öffentliche Resonanz und Wirkung in die „Bewegung“.
Wir veröffentlichen die entstandenen Texte als das, was sie sind: Ideen-Fragmente und Ansätze für mögliche Antworten. Wir würden uns wünschen, wenn sie ebenso aufgenommen werden würden: als Ansatzpunkte für weitere Diskussionen zur Sinnhaftigkeit und Kontinuität von Protesten und unseren Erwartungen an die politische Bewegung gegen Kapitalismus und Krieg.

Infrastruktur

Aus dem ersten Teil der Veranstaltung kristallisierten sich diverse Fragestellungen zur Thematik der Infrastruktur heraus. Neben grundsätzlichen Fragen, wie einer generellen Bilanz zur Funktion der Infrastruktur und der Rechtshifestrukturen sowie zu Gruppendynamik und Koordination in und zwischen Bezugsgruppen während Aktionen, tauchten immer wieder die zwei Themenkomplexe Convergence Center Freiburg und das Camp in Strasbourg auf, welche dann auch im weiteren Verlauf des Abends am ausführlichsten diskutiert wurden.

Convergence Center Freiburg

Im Allgemeinen wurde die Existenz des CC als positiv empfunden. Gelobt wurde die erfolgreiche DIY-Komponente und die gelungene Umsetzung des Konzepts von dezentralen Protesten. Neben dieser von allen geteilten positiven Grundeinschätzung gab es natürlich auch genug kritische Diskussionen und Verbesserungsvorschläge. Bedauert wurde, dass es nicht gelungen ist, ein eventuell vorhandenes Mobilisierungspotential auszuschöpfen und über die Szenegrenzen hinweg Menschen anzusprechen. Eine stärkere Mobilisierung in der Uni oder in Schulen in Kombination mit entsprechend geeignetem Infomaterial wäre hier sicher hilfreich gewesen. Die fehlende Auseinandersetzung mit den zu erwartenden Ein- und Ausreiseverboten und den dadurch bedingten Bedarf nach einem Anlaufpunkt auch während des Gipfels wurde als Problem benannt, welches in der Vorbereitung mehr thematisiert hätte werden müssen. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass durch die Vorbereitung des CC viele Kräfte in Freiburg gebündelt waren, die deshalb nicht zur Unterstützung der Strukturen in der Ortenau oder für eine bessere Vernetzung, beispielsweise mit dem Convergence Center im Molodoi in Strasbourg, genutzt werden konnten.

Camp Strasbourg

Bei den Diskussionen zum Camp in Strasbourg wurde immer wieder ein großer Widerspruch zwischen einer als gut funktionierend empfundenen Grundinfrastruktur des Camps (Vokü's, Infopoint, Sanistrukturen, Out-of Action...) und einem problematischen Konsumverhalten seitens vieler CamperInnen, sowie Kommunikationsproblemen auf vielen Ebenen herausgearbeitet.
Es tauchten die generellen Fragen auf, ob ein zentrales Camp sinnvoll ist und inwiefern spektrenübergreifende Camps wegen Problemen einer Konsensfindung überhaupt noch möglich sind. Die als gering eingeschätzte BesucherInnenzahl wurde mit einer relativ enttäuschenden Gesamtmobilisierung, der "Medienhetze" im Vorfeld sowie der noch kühlen Jahreszeit erklärt.

Zur besseren Mobilisierung wäre eine größere Anzahl von Infotouren wünschenswert gewesen und bezüglich der Vorbereitung tauchte die Frage auf, ob ein Vorbereitungscamp, wie beispielsweise in Reddelich, verbindlichere überregionale Strukturen schaffen und damit die lokalen Strukturen entlasten hätte können. Weitere Schwierigkeiten wurden in der Kommunikation mit den französischen Strukturen gesehen. Als positiv bewertete die regionale Vorbereitungsgruppe ein "AufpasserInnensystem", welches in der Hochphase der Vorbereitungen Einzelpersonen in der Gruppe vor drohender Überlastung bzw. Burn-Out schützen sollte.

Es wurde die These aufgestellt, dass die Cops mit Hilfe von gezielten Provokationen während der Plena in der Aufbauphase, sowie den späteren Auseinandersetzungen in Campnähe erfolgreich den Aufbau handlungsfähiger, selbstverwalteter Strukturen behindert haben. Als schwierig wurde auch der Infofluss im Camp dargestellt. Die Frage wurde formuliert ob
dies wohl an mangelnden Infos oder an mangelndem Interesse lag.
Auch wurde kritisiert, dass es in der Vorbereitung nicht gelungen ist, gewisse "Campregeln" zu formulieren und diese zum Beispiel auch in der Nachbarschaft des Camps zu verbreiten. Bei den leider zahlreichen Konflikten beispielsweise wegen Drogenverkauf oder sexistischen Anmachen wären solche klar herausgearbeiteten Positionen dringend nötig gewesen.

Ebenfalls bemängelt wurden fehlende Diskussionen und Absprachen zum Thema "Gewalt ums Camp" im Vorfeld.
Offen blieb letztendlich der anfangs formulierte Grundwiderspruch zwischen "guter Infrastruktur" und Problemen in der Umsetzung von Selbstverwaltung, u.a. bedingt durch ein scheinbar weit verbreitetes "Konsumverhalten", sowie die Frage nach erfolgreichen Konzepten um diesen Widerspruch aufzulösen...

POLITISCHE STRATEGIE


Im Vordergrund der Diskussion standen Themen wie die „Spektren-übergreifende Zusammenarbeit“, Verhandlungen und das Verhältnis zu Staat und Behörden sowie die Bewertung der Blockadeaktionen gegen das Gipfeltreffen. Auch wurde über den Sinn einer Gesamtstrategie zentralisierter „Eventproteste“, die Frage der Stärke und Wirksamkeit antimilitaristischer Zusammenhänge und die Bewertung militanter Aktionen sinniert.
Immer wieder stand im Mittelpunkt die Diskussion, was für Vorbereitungen, Treffen und Vernetzungen für eine (in diesem Fall scheinbar mäßig erfolgreiche) politische Strategie sinnvoll sind und ob und wie solche Treffen „geöffnet“ werden können? Einerseits wurden verschiedene Vernetzungstreffen der radikalen und gemäßigten Linken im Vorfeld (Dissent!, Stuttgart, Block-NATO und Aktionskonferenz Strasbourg) grundsätzlich positiv bewertet. So kamen hier die Ideen und Absprachen, die verwirklicht wurden, zustande.

Kritisiert wurde unter anderem die hierarchische und „Funktionärstums“-lastige Herangehensweise des internationalen Großbündnis gegen die NATO (ICC). Durch die vielen „Entscheidungs-relevanten eineinhalb-Tage Treffen“ des ICC erfolgte ein Ausschluss für weniger bemittelte Zusammenhänge und Einzelpersonen. Zur Vorbereitung des Dissent! Treffens gab es Kritik an der mangelnden „Transparenz“. Andererseits stießen strategische Vorschläge des linksradikalen Netzwerks im Vorfeld des Gipfels auf keine Resonanz der gemäßigten Gruppen. Vielmehr wurde die „große Blockadestrategie“ durch mangelnde Kommunikation und Fähigkeit zu Absprachen zugunsten einer „Block8-like Massenvereinnahmungsstrategie“ konterkariert.

Aufgeworfene Fragen zum Thema Bündnisarbeit blieben für uns:
  • „War es sinnvoll, dass das ICC die Demoroute im Hafen angenommen hat?“
  • „Würde mehr Bündnisarbeit überhaupt etwas verbessern?“
  • „Wieso ist die spektrenübergreifende Zusammenarbeit schon bei der Strasbourger Aktionskonferenz gescheitert?“

Als Lösungsansätze für eine bessere Bündnisarbeit kamen Vorschläge wie „Basisdemokratie für hierarchische „ReformistInnen“. Teilweise wurde (in beide Richtungen) ein Ende jeglicher Kooperation gefordert. Es wurde angemerkt, die Bündnisarbeit habe keine Tradition in der „Anti-Kriegsbewegung“.

Die Blockaden, welche auch in der schriftlichen Auswertung viel Beachtung fanden, wurden teilweise als Erfolge, teilweise als Misserfolge gewertet. Aus Sicht einiger konnte durch die Innenstadt- und Nordtangente-Blockaden eine friedliche „ungehorsame“ Öffentlichkeitswirksamkeit erzeugt werden.

Aus Sicht anderer scheiterten die Blockaden völlig wegen zu kurzer Vorbereitungen und der mangelnden „Masse“ zur „Massenblockade“. Hier wurde auch verschärft die „vereinnahmende Stellung“ einiger „gemäßigter“ Zusammenhänge kritisiert. Absprachen mit den Behörden und der Polizei standen bei NATO-ZU und Block-NATO im Vordergrund, nicht die Kooperation mit anderen am Widerstand Interessierten. Grund für den zumindest mäßigen Erfolg, und da herrschte bei allen Diskutierenden Konsens, ist das mangelnde gegenseitige Vertrauen der verschiedenen Protestspektren. Allseits positiv wurden die „mutige Sambaband“ und der „kreative Block“ in der Strasbourger Innenstadt wahrgenommen.

Auch kamen die Bestrebungen mehr „dezentral“, „clandestin“ und „mit kleinen antimilitaristischen Aktionen“ zu agieren zur Sprache. So war die Wahrnehmung vieler kleiner Initiativen bei den Diskutierenden zumeist eine positive. Zu solchen Aktionen kam die Frage auf, wie diese „populärer“ werden könnten und wie die Repression bei „kleineren Aktionen“ gering zu halten sei. Zumindest haben solche Aktionen einen hohen „lokalpolitischen“ Impact. Auch wurden Vor- und Nachteile „verdeckter“ (weniger Leute, weniger Polizei) und „offener“ (mehr Leute, mehr Presse, mehr Polizei) Mobilisierungen diskutiert.

Wo bleibt die Verbindung zum Thema Krise?


Diese zentrale Frage am Tisch „politische Strategie“ wurde kontrovers diskutiert. Einerseits wurde versucht, einen Zusammenhang zum in London tagenden G20 und der wachsenden Weltwirtschaftskrise herzustellen (Demos in London, Frankfurt, Berlin...). Andererseits war der Diskussionsprozess um einen Zusammenhang zwischen Krieg und Kapitalismus besonders in der Bündnisarbeit teils sehr träge. Einigen konnten wir uns darauf, das auch die Proteste zur Krise nicht „überwältigend“ gestartet hatten und die gegenseitige Bezugnahme durch mangelnde Ressourcen nur schwerfällig und sporadisch gelang. Damit verknüpfte sich die Frage, wie eine „Bewegung“ wachsen könne. Bis auf den Gedanken, mehr werden zu wollen, gab es hierzu keine Lösungsvorschläge und Ideen. Vielmehr müsste eine Analyse bisheriger Mobilisierungsstrategien her. Die Bewegung wurde in diesem Diskussionsstrang als eher mäßig bewertet. Der Mangel an kontinuierlicher Arbeit scheint ein zentrales Element für die Erklärung des Zustandes antimilitaristischer Bewegung zu sein.

Was einerseits (besonders lokal) als „erneute Bewegung in der Anti-Kriegsbewegung“ wahrgenommen wurde, stieß somit auf Widerspruch. So wurden die Proteste gegen das 60 jährige Natojubiläum, besonders quantitativ, als eine sehr dürftige Großmobilisierung angesehen. Obwohl die Infrastruktur bereits im Vorfeld angeboten wurde, nutzten diese nur wenige hundert Leute. „Warum sind so wenig Leute im Vorfeld mobilisiert worden?“ und „Warum kamen so wenig Leute zum CC und zum Camp?“

Als eine eher erfolgreiche Aktion wurde die „Make Militarism History“-Demo am 30. März in Freiburg gewertet. Diese habe auch regional mobilisierend gewirkt. Negativ war hier die „massive Fremdbestimmung“ und „mangelhafte Außenwirkung“. Schön wäre gewesen, länger auf die Durchsetzung einer Route zu beharren und stärker Absprachen mit dem „Bunten Block“ zu treffen. Uneins waren wir uns bei der Frage ob mehr oder weniger Kreativität und Konfrontation.

Des Öfteren wurde der Wunsch laut „unberechenbarer“ zu sein, mehr „autonome“ Gruppen zu bilden. So würde der „Kontrollverlust“ der „Repressionsorgane“ steigen und somit auch die Wahrnehmung unseres Widerstandes. Angeregt wurde, auch bei zentralen Demos, dezentral zu agieren. Schön wäre es für viele „weniger mit den Bullen zu kooperieren“, andere meinen, mehr mit den Bullen zu kooperieren wäre notwendig.

Sowohl positiv als auch negativ wurde das Thema „Militante Aktionen“ diskutiert. Dagegen sprächen die “abschreckende Wirkung“, „Gefährdung nach Innen“, „schwerwiegende Illegalität“, oder auch der „schwache betroffene Stadtteil“. Als positiv wurde die Militanz linker AktivistInnen besonders gegen die Polizei und „symbolische Objekte“ bezeichnet. Die stundenlangen Provokationen und Gaseinsätze der Polizei „mussten beantwortet werden“.

Insgesamt drehte sich die Diskussion mehr um das tatsächliche Geschehen am 4. April als um eine „allgemeine Militanzdebatte“.
Dazu kamen Fragen auf wie „Militanz, ist die regulierbar?“, „Wo stößt die politische Vermittelbarkeit auf Grenzen?“ oder „Wie schützen wir unsere Leute?“

STRATEGIE AUF DER STRASSE


Im Folgenden soll dieser Text als Zusammenfassung der Tischdiskussionen in die Abschnitte Probleme und Strategien aufgeteilt werden. Unter dem Punkt „Strategien“ sollen Ideen für einen geschickteren Umgang mit den Repressionsbehörden und für effektivere Blockade- und Störaktionen zusammengefasst werden.

Probleme

a) Für beide Rheinseiten zutreffend

• Massenveranstaltungen sind leicht unterdrückbar, da leicht überschaubar und langsam.
• Es mangelte vielerorts an der Entschlossenheit Polizeisperren zu durchbrechen.

Hier wurde erwähnt, dass dies auch ohne Gewalt gehe. In einigen Blockadezügen, die aus dem Strasbourger Camp kamen, wurde jedoch Gewaltfreiheit mit Passivität verwechselt und ständig zur Gewaltfreiheit aufgerufen, während Passivität (Hände heben, auf die Polizei zulaufen, beschossen werden, wegrennen) gemeint war. Dies führte eher zu Unsicherheit und stärkte nicht den Anspruch in die Innenstadt zu gelangen. Es entstand z. T. Angst, die in der Vorbereitung z.B. durch mehrere Ausweichpläne, Kleingruppenübungen (unbewaffnet auf eine Gruppe mit Stöcken bewaffneter zurennen, etc.), verlässlicherer Kommunikationsstrukturen zwischen den Gruppen hätte aufgefangen werden können.

• Viele GipfelgegnerInnen waren schlecht über Geographie, mögliche Polizeistrategien und Partizipationsmöglichkeiten informiert. Daraus folgend wurden z.B. die „FahnenträgerInnen“ der „Fünffinger-Blockadetaktik“ in eine verantwortliche oder besser bestimmende Position gebracht, die eigentlich unnötig ist (Strasbourg). Auf der Demo in Kehl gab es keine passende Antwort auf das riesige Polizeiaufgebot, sondern einen von der Polizei kontrollierten „Wanderkessel“.

• Es entstand ein Spannungsfeld zwischen spontaner Partizipation Unvorbereiteter und clandestiner Organisation in festen Gruppen.
• „Offene Aktionen“ haben immer den Nachteil, dass sie der Polizei bekannt sind.


b) Speziell für Strasbourg zutreffend


• Das Blockadebündnis hatte zuvor Interna über vermeintlich militante Blockadeorte verraten und damit militante Blockaden unmöglich gemacht, weil der Polizei die Orte bekannt waren und dadurch Blockaden viel zu gefährlich wurden. So wurde ein Teil der „Blockierenden“ vorher ausgeschlossen und schloss sich z.T. versprengt anderen Blockadezügen an.
• Zu wenige Camps: die Bewegungen der GipfelgegnerInnen am Samstag waren zu leicht berechenbar, da es nur ein Camp in zu weiter Entfernung zur Innenstadt gab.
• Es mangelte Samstag an geographischen Kenntnissen und einer guten Kommunikation (einige Stunden vor dem Durchbruch zur Demo waren im westlichen Stadtgebiet Eisenbahnbrücken unbewacht). Das für die Demo am Mittag vorgesehene Hafenviertel war ein (das Zollhäuschen ausgenommen) bedeutungsloser Ort, viel zu weit weg vom Gipfel und durch die vielen Kanäle und wenigen Brücken ein leicht abzuriegelndes und angreifbares Terrain für die Polizei.

Neben der obligatorischen Frage „wie können wir's beim nächsten Gipfel besser machen?“ kamen während den Diskussionen über die Probleme während des Gipfels folgende Fragen auf:
• Wie umgehen mit der Ohnmacht der Leute?
• Wie kann diese Wut zu Mut werden?
• Wie eine auf Selbstorganisation basierende Bewegung schlagfertiger machen?


Strategien:


Nahezu alle Diskussionen über Strategien für die Straße drehten sich um eine weitere gestellte Frage „Was tun gegen die militärische Übermacht?“. Folgende Ideen wurden genannt:

• Dezentrale Aktionen auch überregional. Z. B. Gleis-/Autobahnblockade o. ä. in anderen Städten.
• Alternative Treffpunkte in der Nähe des Gipfels für Leute, die von der Polizei an Grenzen und anderen Kontrollpunkten abgewiesen wurden. So kann auch das Polizeiaufgebot auseinander gezogen werden.
• Durchfließen der Polizeisperren in guter Verkleidung (nicht für alle möglich wegen Alter, Piercings, Frisuren etc.)
• Bei zu viel Repression vor dem Tag X könnte eventuell das Camp offiziell abgebrochen und die Situation für die Polizei schwerer überschaubar gemacht werden.
• Wenn es einen militanten Durchbruch einer Polizeisperre wie in Strasbourg gibt, dann doch an einer strategisch sinnvolleren Stelle (Innenstadt wegen Nähe zum Tagungsort) und zu einer sinnvolleren Uhrzeit (nicht mittags sondern morgens vor oder zu Gipfelbeginn).


Politische Außenwirkung der Proteste


Bei der Auswertung der Außenwirkung der Proteste gegen den NATO Gipfel standen wir vor den Fragen: Was hat der Protest nach Außen vermittelt und erreicht und was nach Innen?

Dominiert wurde unsere Nachbetrachtung von inhaltlichen Fragen. Was haben wir zu vermitteln versucht, wie ist diese Vermittlung gelungen und was wurde tatsächlich via Massenmedien und eigener Medienarbeit an die Menschen „da draußen“ vermittelt.
Krieg und Militarismus wurden in der Mobilisierung und auch während der Proteste zentral problematisiert. Es blieb jedoch zu kritisieren, dass Themen wie Kapitalismus und Krise, innere und äußere Sicherheit, Abschottung und Migrationskontrolle nur am Rande wie Satelliten in die inhaltliche Vermittlung eingegangen sind. Die Demo in Freiburg hat den Zusammenhang zwischen innerer und äußerer Sicherheit zu thematisieren versucht, konnte aber inhaltlich den Protesten nicht diese Richtung geben.

Dass jede(r) eine eigene Meinung zu den thematischen Relevanzen und dem angemessenen Grad an Komplexität der Protestinhalte hat, die sich in dieser Kritik auszudrücken scheint, ist klar. Dennoch weist sie auf die nächste Frage hin, nämlich: Was wurde vermittelt? Nicht die Pace Fahnen und Friedenstauben bestimmten das wahrnehmbare Bild der Proteste, sondern die militanten Aktionen eines Teils der Protestierenden. Dieses Bild jedoch konnte sich nicht mit der eigentlich gewünschten inhaltlichen Vermittlung verbinden. So blieb die Außenwirkung des Protestes beim bloßen Bild stehen.

Der Angriff auf ein Gebäude und ein Fahrzeug des französischen Militärs blieb vor der anfangs ausgegebenen Parole der Friedlichkeit und Passivität der DemonstrantInnen ein sinnloser Ausbruch von Gewalt und wurde nicht als aktiver Antimilitarismus wahrgenommen. Das brennende Grenzgebäude wurde nicht zu einem Ausdruck der Ablehnung nationalstaatlicher Herrschaft, sondern das Werk von Feuerteufeln.

Die Information, dass das Ibis Hotel der Accor Kette angehört, die an Abschiebungen verdient, ArbeiterInnenrechte missachtet und deswegen schon öfter Ziel von Kampagnen und Aktionen war, konnte ihren Weg kaum zu den Protestierenden und Sympathisierenden, geschweige denn in eine breitere Öffentlichkeit finden. Die Zerstörung von Werbetafeln etc. wurde zum Symbol für die sinnlose Randalegeilheit einiger Vorstadtkids und konnte überhaupt keinen antikapitalistischen Bezug erzeugen.

Die öffentlich sehr stark wahrgenommenen Beschränkungen der Rechte von BürgerInnen in den Gipfelstädten, der riesige Polizeieinsatz, Stacheldraht und Straßensperren schienen wiederum mit dem Widerstand und den Angriffen gegen den Nato Gipfel im Allgemeinen und den eingesetzten PolizistInnen im Speziellen überhaupt nichts zu tun zu haben.
Derweil sich die einen fragen, warum die Berichterstattung der Medien und damit die inhaltliche Außenwirkung nicht im gewollten Maß beeinflusst werden konnte, ärgern sich die anderen darüber, dass radikale, politische Akte, zu denen viel schon im Voraus inhaltlich zu sagen gewesen wäre, in der Parole „Anarchie und Chaos“ buchstäblich in Rauch aufgingen.

Bei der Wirkung der Proteste nach innen zeichneten sich zwei Einschätzungen ab:

1. Die Masse konnte nicht mit den Inhalten, die sich die Protestbewegung im Vorhinein gegeben hatte, erreicht werden. Dies spiegelte sich in der enttäuschenden Anzahl der TeilnehmerInnen an den Demos etc. und in der Nichtaufnahme der eigenen Inhalte durch die Öffentlichkeit. Die militanten Aktionen wurden vornehmlich als Gewaltakte, die der Vermittlung der gewollten Inhalte der Proteste schädlich waren, abgelehnt. Diejenigen, die ihre politische Aktivität auf die Einflussnahme von Massen ausrichten, waren enttäuscht.

2. Diejenigen, die den politischen Zielen individueller Einflussnahme mehr Gewicht beimaßen, sahen zumindest in der Wiederaneignung der Straßen und dem kollektiven Widerstand gegen die staatlichen Exekutivorgane erfolgreiche politische Akte individueller und freiheitlicher Selbstbestimmung und im repressiven Vorgehen staatlicher Organe gegen EinwohnerInnen und Protestierende eine zu nutzende Selbstdeligitimierung sowohl der Herrschenden, als auch der NATO. Dabei erscheint es sinnvoll, z.B. die Anwohner, die ein anderes Bild der Proteste bekommen haben, weiter zu informieren, um den in französischen und besonders in den Strasbourger Medien verbreiteten Informationen zu widersprechen und sich gemeinsam dem Erlebten wieder anzunähern.

Die Ausrichtung auf bürgerliche Massenmedien stellte einen weiteren Kritikpunkt dar. Die Möglichkeiten, radikale Inhalte über die Medien, die eine bestimmte gesellschaftlich -“ politische Funktion ausüben, zu verbreiten, wurden hier als sehr gering eingeschätzt. Die Bedeutung eigener Medien wurde betont. Besonders der Liveticker bietet in Zukunft neue Möglichkeiten. So gab es auf dem bürgerlichen Medienportal fudder.de einen Liveticker über die Demo in Freiburg, den nach eigenen Angaben zur Höchstzeit über 5000 Menschen, und damit mehr als das Doppelte der DemonstrationsteilnehmerInnen, verfolgt haben. Der Liveticker bei Indy Linksunten wurde ebenfalls sehr stark genutzt, wobei diejenigen, die aktuelle Infos über die Proteste suchten, hier nur begrenzt fündig wurden. Es stellte sich die Frage, inwieweit es möglich ist, selbst einen Ticker für aktuelle Nachrichten mit thematischen Inhalten, ergänzt z.B. durch eine Kommentarfunktion, einzurichten.

Wirkung in die Bewegung


Die Ereignisse um den NATO-Gipfel in Strasbourg haben unter denen, die dort waren oder die Geschehnisse direkt verfolgt haben, kaum jemanden kalt gelassen. Die Repression von staatlicher Seite scheint einen Höhepunkt erreicht zu haben: Für den Großteil der Aktivisten war die Erfahrung frühmorgens um 4:30 Uhr von der Polizei ohne Vorwarnung mit Tränengas begrüßt zu werden so neu wie erschreckend. Diese Strategie der Repression wurde ohne Unterbrechung bis in die Abendstunden fortgeführt: Kaum ein(e) DemonstrantIn wurde auch nur in die Strasbourger Innenstadt gelassen, die Polizei war überall bewaffnet präsent und selbst die symbolische Vereinigung der Demonstrationszüge aus Kehl und Strasbourg wurde nicht zugelassen. Aber auch innerhalb der Bewegung stellen sich neue Fragen -“ bzw. alte neu: Inwieweit kann sich jede/r mit den Aktionsformen der „Anderen in der Bewegung“ identifizieren? Und nicht zuletzt: welchen Anlass zur Enttäuschung hat der Gipfel in Strasbourg gegeben -“ bzw. welche positiven und welche negativen Schlüsse ziehen wir für die Bewegung?

Es stellt sich zuallererst die Frage: Wer gehört eigentlich zur „Bewegung“? Und damit zusammenhängend die Frage: „Wen geht eigentlich das Thema „Krieg“ etwas an“? Dürfen wir als die „Bewegung“ nur diejenigen ansprechen, die direkt bei den Protesten in Strasbourg dabei waren?
Wir meinen eher nicht: Als Bewegung sollten wir diejenigen verstehen, die den Zusammenhang von systematischer Ausbeutung in kapitalistischen Verhältnissen auf der einen und Militär und Krieg auf der anderen Seite sehen und die sich aus diesen Gründen von der Thematik „NATO“ angesprochen (bzw. provoziert) fühlen.

Dennoch gehört zu dieser „Bewegung“ ein unübersehbar großes Spektrum: organisierte wie unorganisierte Gruppen und Menschen, religiöse und nicht-religiöse Friedensfreunde, KapitalismuskritikerInnen und HumanistInnen, FreundInnen autonomer Organisation, Parteien, Gewerkschaften und SyndikalistInnen... Um diese Vielfalt der Bewegung zusammenführen zu können ist intensive Bündnisarbeit erforderlich. Die Kommunikation zwischen diesen Spektren, sowie das Verständnis gegenüber den Anliegen und Aktionsformen der anderen, ist weit über Gipfelereignisse hinaus ein wichtiger Punkt linker Bewegungsarbeit -“ die Anforderungen an gelungene Kommunikation hinsichtlich eines festgelegten Ortes, dem Thema und Zeitpunkt gestaltet sich jedoch besonders schwierig. Inwieweit es zum NATO-Gipfel gelungen ist, die Spektren zusammen zu bringen bleibt fraglich.

So kann ein Gipfelereigniss wie das Natotreffen oder auch die G8 als Kulminationspunkt der Bewegung dienen, an dem sich alle Gruppen mit ihren eigenen Aktionsformen beteiligen können und die ganze Breite und Stärke der Bewegung sichtbar werden kann. Dennoch steht dem positiven Effekt der „Sichtbar-Werdung“ ein enormer organisatorischer Kraftaufwand -“ der viele Aktivisten für einige Zeit geradezu „ausbrennen“ kann -“ und das Anpassen an Zeiten und symbolische Orte der Herrschenden gegenüber. Insofern sollten Aufwand und voraussehbarer Nutzen solcher Organisations- und Mobilisierungsarbeit gründlich abgewogen werden. Für Freiburg lässt sich jedoch durchaus sagen, dass das Thema Nato über den reinen Gipfelzeitpunkt Thema geworden und einige Zeit geblieben ist: Der Vortrag eines Nato-Generals im Velo-Cafe wurde öffentlichkeitswirksam gestört, eine andere Veranstaltung in der Uni konnte ebenfalls gestört werden. Inwieweit diese Moblisierung bis zum Fahnenappell von 1.500 Soldaten der deutsch-französischen Brigande in Müllheim am 26. Juni anhält, bleibt offen.

Es sollte klar sein, dass die Eventisierung der Bewegungsarbeit die kontinuierliche politische Arbeit nicht ersetzen kann! Nur gründlich vorbereitete Gruppen, die sowohl über ihre Aktionsformen und ihre Bündnispartner, als auch über die lokalen Verhältnisse ein klares Bewusstsein haben, können gezielt agieren und mit der Repression umgehen. Es ist klar, dass dieser Anspruch hoch ist und er soll nicht ausschließend sein -“ viel eher der Appell an diejenigen, die sich für gipfelrelevante Themen interessieren, sich auch darüber hinaus zu organisieren. Eine kontinuierliche Organisation kann neben der Vorbereitung auf das Ereignis auch ermöglichen, das Thema weiterhin zu bearbeiten und seine inhaltliche Anknüpfungsmöglichkeiten zu anderen Themen (im Falle der NATO zu Innerer Sicherheit, Militarisierung zur Unterdrückung sozialer Unruhen, Durchsetzung kapitalistischer Interessen durch direkte Unterdrückung,...) deutlich zu machen -“ der „Bewegungshype“ der Linken, abfällig auch als „Demotourismus“ bezeichnet, kann auf diesem Wege eventuell durch die konkrete Verknüpfung von Themen wie Krise und Krieg auch öffentlich wieder plausibel gemacht werden. Darüber hinaus muss Kontinuität auch als praktische Solidarität mit den Opfern der Repression, sprich den Gefangenen und Angeklagten, gewährleistet sein.

Quelle: KTS Freiburg Diskussionsveranstaltung 23.06.2009

Esslingen: Über 1000 Teilnehmer beim "Aufstand der Anständigen"

Über 1000 KollegInnen der Metallbetriebe in der Region Esslingen nahmen an der Demonstration und Kundgebung der IG Metall Verwaltungsstelle Esslingen teil. Vor den Banken in der Innenstadt wurde symbolisch das letzte Hemd gegeben.

Zur Bilderserie : Aufstand der Anständigen

Reise nach Diyarbakir 22.5. - 1.6.2009

Der Bericht und die Fotos von Britta Wente's Reise nach Diyarbakir vom 22.5. - 1.6.2009 erscheint hier mit ihrer freundlichen Genehmigung

Der Anlass meiner Reise: Am 14. April begann in der Türkei eine Verhaftungswelle. Hunderte von Menschen, vor allem Mitglieder der DTP (Partei der demokratischen Gesellschaft) und der DÖKH (Demokratische Freie Frauenbewegung) wurden festgenommen. In Haft blieben 51 Menschen. Darunter 23 Frauen der DÖKH. (immer noch hört man von weiteren festgenamen) Seit mehreren Jahren stehen wir, Frauen aus Stuttgart, im Austausch mit Frauen in (vor allem) Diyarbakir und erfahren von ihrer erfolgreichen Arbeit. Nachdem ich im April von den Verhaftungen der DÖKH-Frauen gehört hatte, war mein spontaner Wunsch als Frauen aus der ganzen Welt hin zu fahren und gemeinsam EDI BESE zu rufen, ES REICHT -“ endlich Schluss mit dem Krieg .....

Dann viel mir ein, dass die Frauen in Deutschland, unter anderem ich, gar nicht viel über die Arbeit der DÖKH (Demokratische Freie Frauenbewegung) wissen. Darüber wollte ich mehr Informationen sammeln und an die Frauen in meinem Umfeld weiter geben. Gleichzeitig zog es mich zu den Freundinnen, ich wollte wissen wie es ihnen geht. Unter anderem wollte ich versuchen eine Freundin, die Mitbegründerin des SELIS-Frauenberatungszentrums, Mitglied der DÖKH, Hacer Özdemir, die auch unter den Verhafteten ist, im Gefängnis in Midyat zu besuchen.

Im Mai fand ich nun Zeit für die Reise. Hacer konnte ich leider nicht besuchen, da die Staatsanwaltschaft mir keine Erlaubnis dafür gegeben hat, aber durch die anderen Besucherinnen erfuhr sie dass ich gekommen war. Den Frauen im Gefängnis in Midyat geht es gut. Viele meiner Fragen habe ich verschiedenen Freundinnen und Freunden die ich traf gestellt. Auf alles fand ich noch keine Antwort, die Zeit wird es zeigen. Mein Wunsch jetzt, nachdem ich wieder hier bin wäre, dass wir als Frauen aus dem Ausland den Frauen im Gefängnis unsere Solidarität zeigen und ihnen Briefe und Postkarten schreiben.

Vielleicht können wir uns international an einer Friedensinitiative der Frauen in der Türkei in den nächsten Monaten beteiligen. Vielleicht können wir, wenn der Prozess am Gericht beginnt hinreisen um zu zeigen, dass wir nicht richtig finden was da passiert -“ und um die Frauen dort nicht alleine zu lassen.

Wie fange ich an?
Was ich in diesem Bericht versuchen möchte zu beschreiben ist, was mir auf dieser Reise noch mal bewusst wurde, und zwar, dass sich die Befreiung der Frau in der kurdischen Region nicht von der kurdischen Frage trennen lässt. Und
warum der türksiche Staat so hart gegen die Frauen vorgeht. Immer wieder habe ich daran rumgegrübelt wie ich das in Worte fassen kann. Mein Bericht ist persönlich und nicht immer politisch sehr durchdacht. Ein für mich gutes Beispiel welches die kurdische Problematik aufzeigt ist ein Verfahren gegen Abdullah Demirbas der Bürgermeister des Stadtteils Sur, mit dem ich beginnen werde.

Der Prozess gegen A. Demirbas oder: warum wird der mehrsprachiger Service der Stadtverwaltung Sur kriminalisiert?

Nach meiner Rückkehr aus Silvan, einer Kleinstadt in der Nähe von Diyarbakir, wo ich die Onkel- Familie von Hacer besuchte, hörte ich, dass am darauffolgenden Tag eine Prozess gegen den Bürgermeister des Stadtteils Sur (Sur heisst Stadtmauer) Abdullah Demirtas (von der DTP - Partei der demokratischen Gesellschaft) stattfinden soll. Warum der Prozess? Da in dem Stadtteil Sur viele Menschen nur kurdisch sprechen, und vor allem ältere Menschen kein türkisch können, hat A. Demirbas damit begonnen in der Stadtverwaltung, die schriftlichen Formalitäten, Anträge die die Bevölkerung betreffen kurdisch-türkisch zu gestalten, und auch darauf geachtet, dass das in den Ämtern arbeitende Personal beide Sprachen kann.

Es ist mir hier öfters begegnet, dass ich mich, vor allem mit älteren Menschen die keine Schule besucht haben, oder mit den Kindern die noch nicht in der Schule sind, nicht unterhalten konnte, da sie nur kurdisch sprechen und ich das ja, bis auf ein paar Wörter, nicht kann. Wegen dieser multilingualen Arbeitsweise des Bürgermeisters also wurde er Angeklagt. Zur Anklage gehört zusätzlich noch die Herausgabe eines kurdisch-türkischen Kinderbuches für Kinder im Grundschulalter, mehrsprachige Faltblätter für Touristen über die Sehenswürdigkeiten des Stadtteils, und die gezielte Suche nach kurdisch-türkisch-sprachigem Personal für den Bürgerkontakt in der Stadtverwaltung.

Mittlerweile sind mehrere Verfahren gegen Abdullah Demirtas anhängig und alle mit denen ich darüber sprach, gehen davon aus dass er verurteit wird, womit ihm dann auch die Ausübung seines Amts als Bürgermeister und generell politische Betätigung verboten sein wird. Er ist ein Beispiel wie es hier leider viele Ähnliche gibt. Weder Staatsanwalt noch Richterin hatten auf mich einen, auf den Inhalt des Prozesses, interessierten Eindruck gemacht. Der Prozess wurde bis September vertagt. Na ja, es wird letztendlich eine politische Entscheidung sein, wie das Urteil ausfällt. Zu A. Demirtas ist zu sagen, dass er bei den Wahlen im März mit sehr hohem Stimmenanteil, über 65 % wieder gewählt wurde. Die Menschen vertrauen ihm. Als ich und zwei weitere Europäer bei im im Büro waren um von dort aus gemeinsam zum Gericht zu gehen, kamen mehrere Menschen aus dem Stadtteil vobei um ihn zu besuchen oder bei ihm Vorzusprechen, alle wurden zum Tee eingeladen... .

Warum, fragte ich mich immer wieder, reagiert der Staat so hart? Eigentlich müsste der Staat die mehrsprachige Arbeit des Bürgermeisters/der Stadtverwaltung in Sur unterstützen und als Beispiel nehmen, wie unter Berücksichtigung der kurdischen Realität, das gemeinsame Leben gestaltet werden kann, und dies geschieht hier in bestem Sinne Bürgernah. Zynischer Weise gab es vor kurzem von der Regierung selbst den Vorschlag, dass in den Gesundheitsstationen und Krankenhäusern kurdischtürkisch sprechendes Personal eingestellt werden soll. Hier in Diyarbakir wird dies schon umgesetzt. Und im selben Moment wird es hier kriminalisiert.

Ich meine, dass dieser Prozess ziemlich genau den Umgang des Staates mit der kurdischen Frage schildert. (Oder überhaupt den Umgang damit, dass es in der Türkei viele kulturelle Indenditäten gibt, wie ausser der kurdischen auch armenische, lasische, arabische und andere). Die kulturellen Idenditäten wurden über Jahre einem aggressiven assimilationsdruck unterworfen und die verschiedenen Muttersprachen zurück gedrängt. Und dennoch findet man immer noch Regionen, vor allem ländliche, wo die Muttersprachen zu finden sind. Und für die kurdische Bevölkerung muss man sowiso sagen, dass sie keine kleine Minderheit sind, sondern eine größe von über 20 Mio Menschen, davon in der Türkei 14,2 Mio, umfassen (Zahlen aus Wiener Zeitung online).

Die kurdische Bevölkerung begann vor vielen Jahren mit dem Kampf um ihre Rechte. Leider antwortete der Staat mit Gewalt, was zu einem blutigen und bis heute andauernden Krieg führte (unter anderem mit deutschen Waffen). Viele Mütter, sei es kurdische oder türkische, weinen die selben Tränen über den Verlust ihrer Söhne die sie als Guerilla oder als Soldaten verloren haben. Wenn ich durch dieses riesige weite Land fahre, denke ich immer wieder, dass dieser Krieg militärisch nicht gewonnen werden kann. Er führt nur zu immer weiteren schmerzlichen Wunden auf beiden Seiten. Um so dringlicher ist es, dass auf politischer Ebene eine Lösung gefunden wird. Eigentlich sind die Vorrausetzungen dafür gegeben. Bei den Kommunalwahlen im März diesen Jahres gewann die DTP im Osten des Landes in 99 Kommunen. Die 21 Parlamentsabgeordnete der DTP (davon 9 Frauen) bieten sich immer wieder als Vermittler und Ansprechpartner an.

Dass es bis heute nicht zu einer Lösung gekommen ist liegt vermutlich daran, dass es starken Kräfte innerhalb des Militärs (und ausserhalb) gibt die am Krieg verdienen und die, so vermuten die Freunde mit denen ich sprach, auch für die derzeitige Repressionswelle verantwortlich sind. Ich denke auch, dass sicherlich kein Schritt ohne Absprache mit der NATO, Amerika, Europa stattfindet. Kurz bevor die Repressionswelle losging war der NATO-Geburtstag in Strasbourg und war Obama in der Türkei.... . Die Türkei hat einfach eine zu wichtige geografische Lage, so dass eine Bewegung wie die kurdische (in der Türkei) die sich nicht an den Kriegen (gegen Irak, Iran, Syrien....) beteiligen will und ein Beispiel für gesellschaftliche Veränderung für die gesamten Region ist, mundtot gemacht werden soll.

Die gesellschaftliche Organisierung in der kurdischen Region konnte bislang trotz aller Repression nicht aufgehalten werden. Im Gegenteil. Gerade bei den Frauenorganisationen, Frauenzentren, etc., die sich in den letzten Jahren in der DÖKH (Demokratik Özgüt Kadin Hareketi -“ Demokratische Freie Frauenbewerung) zusammengeschlossen haben, konnte ich eine enorme Entwicklung beobachten, die gesellschaftliche Dynamik inne hat.

Die kurdische Frauenbewegung:

Seit 2001 / 2002 beobachte ich den Aufbau und die Arbeit von Frauenzentren in der kurdischen Region. Am Beispiel des Frauenberatungszentrums SELIS konnte ich viel über deren wertvolle Bildungsarbeit, vor allem in den Stadtteilen erfahren, über die sehr viele Frauen ein Bewusstsein über ihre Rechte als Frau erlangt haben. Frauenzentren wie SELIS gibt es inzwischen viele. Das Selbstbewusstsein der Frauen ist enorm gewachsen, der Schrei nach Veränderung gross. Die Schritte der gesellschaftlichen Veränderung, auch wenn sie nicht einfach sind, sind enorm.

Über die Arbeit der DÖKH -“ Demokratische Freie Frauenbewegung - Kampagne „Unsere Ehre ist unsere Freiheit“

Seit 25 November 2008 führt die DÖKH die einjährige Kampagne „Unsere Ehre ist unsere Freiheit“ durch. Ziel ist das Tabuthema in der Gesellschaft zu thematisieren. Die Beteiligung und das Interesse von Frauen daran ist gross. Insgesamt hat die Beteiligung der Frauen an den Kämpfen für ihre Rechte in den letzten Jahren zugenommen. So gingen am 8. März 2009 alleine in Diyarbakir über 15 000 Frauen auf die Strasse. In der gesamten kurdischen Region waren es viele hundert tausende von Frauen die am 8 März ihre gemeinsame Kraft gezeigt haben. Dies ist sicherlich auch auf die Arbeit der DÖKH zurück zu führen.

Die Frauenräte

Ziel von den Räten, die in allen Stadtteilen und vielen Städten von der DÖKH gegründet wurden oder noch werden, ist die Teilhabe der Frauen an Entscheidungsprozessen zu ermöglichen. So werden in den Stadtteilräten die Probleme der Frauen vor Ort besprochen, an die örtlichen Verhältnisse angepasste Lösungsmodelle erarbeitet, Forderungen aufgestellt. Über Frauen der DTP die auch in den Frauenräten vertreten sind, werden die Forderungen der Frauenräte in die politischen Strukturen, wie zum Beispiel Gemeinderäte getragen. In den Frauenräten sind sowohl Frauenorganisationen, wie z.B. auch das SELIS-Frauenberatungszentrum vertreten, darüber hinaus sind Frauen verschiedener Berufssparten und Hausfrauen darin vertreten. Es ist ein Modell welches Menschen ermöglicht direkt an Entscheidungsprozessen teil zu nehmen. Darüber dienen die Stadtteilräte auch als Kontrollinstanz derer, die gewählt wurden und die die Menschen in den politischen Gremien vertreten sollen. Die DÖKH will die Bildung von Frauenräten zukünftig auch verstärkt in den Dörfern, den ländlichen Gebieten unterstützen.

Unterstützung von Frauen als Kandidatinnen der DTP

Die Zusammenarbeit mit der DTP ist sehr eng. So wurde von den DÖKH-Frauen die Kandidatur von vielen Frauen innerhalb der DTP bei den Wahlen aktiv unterstützt. Die DTP hat inzwischen eine Frauenquote von 40%. Von insgesamt türkeiweit 19 Bürgermeisterinnen sind 14 von der DTP in den kurdischen Regionen.

Untestützung der DTP für die Frauenarbeit:

Von Frauen verschiedener Frauenorganisationen wurde mir erzählt, dass in Städten wo die DTP die Wahlen gewonnen hat, oder auch vorher schon Bürgermeister gestellt hat, die Frauenarbeit von Seiten der Stadtverwaltung grosse Unterstützung erfäht. Es gibt natürlich grosse Geldprobleme, aber die Bereitschaft im Rahmen des Möglichen die Eröffnung von Frauenberatungsstellen etc. zu unterstützen ist durchaus da. In Diyarbakir wirkt sich die Zusammenarbeit zwischen den Frauengruppen (der DÖKH) sogar so weit aus, dass eine spezielle, wie sagt man, Amtsstelle für Frauen und Kinder geschaffen wurden. Alle Beamte in den dortigen Leitungspositionen sind Frauen. Dazu aber ausführlicher mehr im Zusammenhang mit dem Interview über das neue Frauenhaus und der diesbezüglichen Zusammenarbeit der Frauenorganisationen mit dem Stadtverwaltung/Bürgermeisteramt.

Eröffnung einer Frauenberatungsstelle in Sur ici:

Während des Besuchs bei A. Demirbas erzählte er, dass die Stadtverwaltung im Stadtteil Sur ici (innerhalb der Stadtmauer) eine Frauenberatungsstelle eröffnen wird. Wir waren eingeladen daran teilzunehmen. Im Stadtteil Sur ici leben etliche Frauen die den Stadtteil noch nie verlassen haben. Früher war es mir hier begegnet, dass Frauen wenn ich sie fragte ob ich sie fotografieren kann meinten, dass sie dafür erst ihren Mann um Erlaubnis fragen müssen. Also eher streng. Daher, um möglichst nahe bei den Frauen zu sein und ihnen das Kommen zu erleichtern, wurde das Beratungszentrum mitten im Stadtteil eingerichtet.

Der Bürgermeister, also ein Mann hält die Rede. Ich denke es ist einfach so, dass die Frauenbewegung hier, nicht zuletzt um eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, auf die Unterstützung von Männern angewiesen ist, bzw. eine Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Männern auch gewollt ist. Gewalt gegen Frauen ist nicht nur das Problem der Frauen, sondern aller Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Türkeiweite Frauenbündnisse:

Trotz der nationalistisch aufgeheizten Atmosphäre wie sie nach jahrelanger Medienpropaganda mittlerweile besteht, in denen es mittlerweile oft Übergriffe auf
kurdische Saisonarbeiter oder Studenten gibt, haben Frauen Brücken gebaut und türkeiweit Frauenbündnisse geschaffen. Diese wachsende Zusammenarbeit zwischen den Frauenorganisationen aus der Ost und Westtürkei zeigt dass ein aufeinander zugehen möglich ist und machen Hoffnung.

So wurden und werden auf den türkeiweiten Frauenkongressen (gegen Gewalt an Frauen), die unterschiedlichen Realitäten in denen die Frauen leben thematisiert, und es hat ein Dialog begonnen. Gemeinsam wurden Forderungen aufgestellt wie z.B. dass der Staat Gelder zur verfügung stellt für die türkeiweite Einrichtung von Frauenhäusern (Umsetzung des Gesetzes dass ab 50000 EinwohnerInnen eine Gemeinde/Stadt ein Frauenhaus haben soll). Eine weitere gemeinsame Forderung ist die, dass muttersprachliches Personal eingestellt werden soll.

Initiativen der Frauen für die Beendigung des Krieges:

Eine andere wichtige Sache ist auch jetzt wieder, das mutige Engagement der Frauen für eine Beendigung des Krieges. Initiativen für Frieden wurden und werden, wie ich es seit 2000 beobachte, immer wieder von Frauenorganisationen aus der gesamten Türkei getragen. Gerade jetzt, nach den Verhaftungen von 23 Frauen der DÖKH, haben sich am 31.5.2009 auf einen Aufruf der DÖKH, Frauen verschiedener Organisationen aus der gesamten Türkei für ein Frauenforum in Diyarbakir zusammengefunden. Beteiligt waren Frauen aus Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Parteien, Feministische, Sozialilstische, Unabhängige Organisationen, Schriftstellerinnen, Anwältinnen, Friedensmütter, Schauspielerinnen, etc. Sie wollten ihre Solidarität mit den Verhafteten Frauen der DÖKH zeigen und beraten was sie gemeinsam unternehmen können um ihre Freilassung zu erreichen, was sie tun könnten dass der Krieg beendet wird und eine demokratische Lösung der kurdischen Frage erreicht wird. Sie beschlossen das die Frage nach Frieden vordringlich ist und dass sie sich noch mehr einmischen wollen. Eine nächstes Frauenforum soll noch im Juni in Ankara statt finden.

Die Teilnehmerinnen des Frauenforums beteiligten sich anschliessend am Frauenmeeting, einer Kundgebung zu der tausende kurdischer Frauen aus der ganzen Region angereist waren. Bei glühend heisser Sonne wurde kraftvoll gesungen und getanzt. Die Freude der kurdischen Frauen über den Besuch der zum Teil offentichtlich aus dem Westen kommenden Frauen, war gross. In diesen Begegnungen meinte ich zu spüren und zu begreifen wie stark die kurdischen Frauen innerhalb der kurdischen Bewegung sind. Es scheint mir, dass die stärkste Dynamik, sowohl innerhalb der kurdischen Gesellschaft als auch bezogen auf die gesamte Türkei, derzeit von den Frauen aus geht. Vielleicht ist dies der Grund weshalb der Staat so hart gegen die Frauen vorgeht. Mein Eindruck ist, dass der Staat Angst hat, dass er seine Kontrolle über die Menschen verliert. Das selbe könnte man möglicherweise in vielen Ländern beobachten, wenn Menschen aus der passivität erwachen, sich organisieren, ihre eigenen Strukturen aufbauen. Wenn sie das vom Staat vorgegebene Schema verlassen und beginnen über ihr Schicksal selbst zu entscheiden, da sie vom Staat und seinen Organen nur enttäuscht werden, Gewalt erfahren und keine Antworten auf ihre Probleme bekommen.

Es ist ja leider traurige Realität, dass viele Frauen deshalb umgebracht wurden, da sie von den Polizeistationen auf die sie vor der Gewalt geflüchtet sind, wieder in die Hände des Peinigers zurückgeschickt wurden, also keine Hilfe fanden. Es ist Realität, dass die Menschen die staatlichen Sicherheitskräfte über Jahre als die Menschen erlebt haben, von denen sie festgenommen, geschlagen, gedemütigt, gefoltert oder gar getötet wurden. Es ist Realität, dass eigentlich alle kurdischen Menschen die ich kennen gelernt habe, Familienangehörige haben die getötet wurden oder im Gefängnis sind, oder sie selbst schon im Gefängnis waren.

Wenn also das Vertrauen in die staatlichen Strukturen nicht besteht, wohin können sich die Menschen wenden, wenn Probleme auftauchen, wie Hunger, Streit, Gewalt in der Familie und anderes. Natürlich gehen sie lieber dort hin wo sie Vertrauen haben. Und das sind die Strukturen der kurdischen Bewegung. Die gegründeten Stadtteilräte, die Frauenzentren, die von den DTP-Gemeinden gegründete Sozialeinrichtungen.

Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren besuchte ich eines der Waschhäuser welche von der Stadtverwaltung in mehreren armen Stadtteilen eingerichtet wurden. Dort können die Bewohnerinnendes Stadtteils kostenlos Wäsche waschen, können sich dort treffen und auch an Seminaren teilnehmen.
Eine Mitarbeiterin des Waschhauses erzählte mir, dass mittlerweile täglich Frauen und Männer mit allen möglichen Problemen ins Waschhaus kommen, zum Beispiel wenn es Streitigkeiten unter Nachbarn gibt,... . Der Waschsalon wurde zu einer Art sozialen Anlaufstelle der BewohnerInnen des Stadtteils und ihm wurde eine Art Autorität (Beispielsweise um Streit zu schlichten) zugesprochen.

Ob die Frauenzentren oder heute auch die Stadtteilräte oder die DTP. Das sind die Orte an die sich die Menschen mit ihren Problemen wenden, da sie kein Vertrauen zu den staatlichen Organen haben. Und das sind die Strukturen und Organe durch die sie ihre Interessen vertreten fühlen. Die Repression gegen die DÖKH und DTP-Frauen und Reaktionen Die Verhaftung von vielen aktiven Menschen der DTP, darunter 23 aktiven Frauen der DÖKH hat natürlich Auswirkung auf die Arbeit. Jedoch empfand ich die Frauen denen ich begegenet bin nicht entmutigt, sondern sehr motiviert jetzt erst recht die Arbeit fort zu führen. Natürlich ist das auch nicht so einfach, wenn man selbst jeden Tag die Nächste sein kann die abgeholt und ins Gefängnis gesperrt wird.

Was den Frauen aber sicherlich sehr Mut gemacht hat ist die starke Solidarität aus der Bevölkerung nach den Verhaftungen. Nachdem am 14. April die Repressionswelle gegen gegen die DÖKH und PolitikerInnen der DTP losging gingen tausende von Menschen vor die Zentrale der AKP (Regierungspartei) und blockierten dort die Strasse. Über 5000 Frauen zogen Lautstark vor das Gefängnis in Diyarbakir. Viele Hundert Frauen schickten Postkarten an die gefangenen Frauen. In den Stadtteilen kochten Frauen Essen um es zu verkaufen und dann mit dem Geld die Gefangenen zu unterstützen. Aus der gesamten Türkei reisten am 31. 5.2009 Frauen verschiedener Organisationen zum Frauenforum nach Diyarbakir und beschlossen sich gemeinsam verstärkt einzumischen und Initiativen zu ergreifen, damit die Waffen endlich schweigen, die Gefangenen frei gelassen werden und eine Friedenslösung erreicht werden kann. Die Verhaftungswelle hat leider noch nicht aufgehört. So wurden am 28. Mai 36 Mitglieder, des Gewerkschaftsdachverbandes des öffentlichen Dienstes (KESK) festgenommen. Proteste in der ganzen Türkei waren die Folge.

Nicht erst darüber, auch schon vorher hat eine Diskussion in der Türkei begonnen und melden sich kritische Menschen in den Zeitungen und Fernsehen zu Wort, die Hoffen lassen, dass die Kräfte die eine politische Lösung unterstützen stärker werden.


Adressen der Gefängnisse und Namen der dort inhaftierten Frauen der DÖKH:

Urfa Kapalı Cezaevi

Urfa - Türkei

Zahide Besi, Zeynep BoÄŸa, Ebru Günay, Heval Erdemli, Roza Erdede, Pergüzar Kaygusuz


Midyat M Tipi Kapalı Cezaevi

Midyat - Türkei

Hacire Ozdemir, Pınar Işık, Sara Aktaş, Herdem Kızılkaya, Leyla Deniz, Çimen Işık,

Seve Demir, Pero Dündar, Zöhre Bozacı, Esma Güler

Diyarbakır E Tipi Kapalı Cezaevi

Diyarbakir - Türkei

Gülcihan ÅžimÅŸek, Selma Irmak


Siirt E Tipi Kapalı Cezaevi

Siirt - Türkei

Elif Kaya, Olcay Kanlıbaş, Besime Konca, Nihayet Taşdemir, Dirayet Taşdemir


Filmvorführung im Kommunalen Kino Esslingen: "Streik(t)raum"

Im Rahmen des Filmfestivals der Gesellschafter haben die Linken Perspektiven gemeinsam mit attac-stuttgart die Patenschaft für den Film Streik(t)raum übernommen.

Streik ist eines der wirksamsten Mittel zur Durchsetzung von Forderungen. Die Streikenden erfahren in ihm Selbstorganisation: Solidarität, öffentliche Wahrnehmung und Durchsetzungsfähigkeit. Die Auseinandersetzungen um den freien Zugang zur Bildung finden im Bildungsstreik am 17.06. einen weiteren Höhepunkt. Die Auseinandersetzungen zur Sozialisierung der Krisenlasten mittels Massenentlassungen und Betriebsschließungen in der Region stehen noch aus! Der Film zeigt, wie sich ein Streik organisiert und ermutigt zur Aktivität.

Zum Film:
Als die französische Regierung Anfang 2006 ein Gesetz durchsetzen will, mit dem Berufseinsteiger zwei Jahre lang fristlos entlassen werden können, proben die Studenten den Aufstand und besetzen die Universitäten.


Zur Diskussion:
"Politische Aktionsformen"
Diskutantinnen
Yalcin Kutlu attac-stuttgart
Alexander Schlager Linke Perspektiven
Ilkem Sakar Stuttgarter Aktionskomitee Schülerinnenstreik

Kommunales Kino Esslingen
Maille 4-9
73728 Esslingen
Kontakt
Kartenreservierung 0711 31059510
info[@]koki-es.de
http://www.koki-es.de/

Stuttgart: Veranstaltungsreihe zu den Basisprozessen in Venezuela

Fr. 19.06. Film: Venezuela von Unten
(2004 / 67 Min. / Spanisch mit deutschen Untertiteln. Film von Oliver Ressler und Dario Azzellini)
Wenn in den Medien etwas über Venezuela berichtet wird, so beschränken sich die Berichte zumeist auf die Person Hugo Chávez. Chávez wird als linker Populist, der einzig an Machterhalt interessiert ist, dargestellt. Dabei werden die sozialen Veränderungen der letzten Jahre in Venezuela ausgeblendet: soziale Reformen wie der Aufbau einer kostenlosen medizinischen Versorfgung und ein kostenloses Bildungssystem kommen vorallem der verarmten Bevölkerungsmehrheit zugute. Gleichzeitig entwickelt sich ein breiter Prozess der Selbstorganisierung von Unten, der diese Entwicklungen mitgestaltet und trägt. Aus dieser Organisierung von Unten ist eine fortschrittliche Verfassung entstanden und werden Modelle der Selbstverwaltung auf kommunaler und betrieblicher Ebene entwickelt. Es ist eine Suche nach sozialen und ökonomischen Modellen jenseits des Neoliberalismus.
Ab 14:00 Uhr auf dem Campusgelände (K1) der Uni Stadtmitte, Keplerstr. 7, Stgt.


Sa. 20.06. Diskussionsveranstaltung mit Yoel Capriles, Basisaktivist aus Caracas

Yoel Capriles (50) wurde geboren und lebt im 23 de Enero, einem der großen Armenviertel von Caracas, das bekannt ist für seine kämpferische Tradition. Er arbeitet seit seiner Jugend in der revolutionären Bewegung als Basisaktivist an den verschiedensten Fronten. Über sich selbst sagt er: „Ich bin ein sozialer Kämpfer der Parroquia 23 de Enero...ich habe keinen 'Posten' im revolutionären Prozess, ich übernehme politische Verantwortung.“ In den letzten Jahren bestand seine Praxis in erster Linie darin, gemeinsam mit anderen GenossInnen die Bevölkerung des 23 zu unterstützen beim Aufbau der consejos comunales, einer Struktur der Selbstregierung der Bevölkerung. Darüber und über alle anderen wichtigen Aspekte der Entwicklung in Venezuela wird Yoel Capriles berichten.
Ab 18:00 Uhr im AKSE Verein, Schloßstr. 80a, Stgt.
(Weg ist ab U-Bahn Schloß-/Johannesstr. gut sichtbar ausgeschildert!)


Mi. 24.06. Mittwochskino: Fünf Fabriken -“ Arbeiterkontrolle in Venezuela

(2006 / 81 Min. / Spanisch mit deutschen Untertiteln. Film von Oliver Ressler und Dario Azzellini)
Fünf Großunternehmen des Landes werden vorgestellt: eine Aluminiumhütte, ein Textilunternehmen, eine Tomatenfabrik, eine Kakaofabrik und eine Papierfabrik. Sie waren alle von ihren vormaligen Besitzern aufgegeben und die Arbeiter waren entlassen worden. Sie haben sich entschlossen, die Fabriken zu besetzen und die Produktion wieder in Gang zu bringen. In den Interviews schildern die Arbeiter die unterschiedlichen Situationen in den fünf Fabriken. Gemeinsam ist ihnen aber die Suche nach besseren Produktions- und Lebensmodellen. Im Unterschied zu kapitalistischen Unternehmen arbeiten die Unternehmen sozialer Produktion (EPS) nach Interessen der Gemeinde.
Ab 19:00 Uhr im Subversiv, Burgstallstr. 54, Stgt.
(Wegbeschreibung: www.subversiv-stuttgart.de)


Sa. 27.06. Venezolanische Volxküche

In gemütlicher Atmosphere gibt es venezolanische Speisen, Wein und Musik! Außerdem werden Fotografien aus den sozialen Umbrüchen und der Straßenkunst in Venezuela gezeigt. Kommt zahlreich! Die Spenden kommen der Finanzierung der Veranstaltungsreihe zugute
Ab 20:00 Uhr im Subversiv, Burgstallstr. 54, Stgt.
(Wegbeschreibung: www.subversiv-stuttgart.de)


Mi. 01.07. Informations- und Diskussionsveranstaltung: Opposition und Konterrevolution - Gegenwind von Rechts

Dass in Bolivien, Ecuador, Nicaragua und Venezuela linke Regierungen gewählt wurden und tatsächlich soziale Veränderungen beginnen, ist eine neue Erscheinung. Bis in die 1960er wurden unliebsame Regierungen durch direkte Interventionen der USA gestürzt. Dem folgte bis Ende der 1980er Jahre eine Phase der eher verdeckten Interventionen.
Wie gestalten sich die Auseinandersetzungen zwischen linken Regierungen und den lokalen Oberschichten heute? Welche Rolle spielt die Politik der USA und der EU in diesen Konflikten? Auf der Veranstaltung wird Malte Daniljuk die Geschichte der Opposition gegen die neuen Linksregierungen am Beispiel Venezuelas nachzeichnen. Vom Putschversuch im April 2002, über den Ausstand der Unternehmer im folgenden Winter bis hin zu Volksabstimmungen sah sich das bolivarianische Projekt mit verschiedenen Widerständen konfrontiert, die teilweise auch einen gewalttätigen Charakter hatten. Insbesondere der Kampf um die öffentliche Darstellung von Politik spielt dabei eine wichtige Rolle.
Ab 19:00 Uhr im Subversiv, Burgstallstr. 54, Stgt.
(Wegbeschreibung: www.subversiv-stuttgart.de)


Fr. 03.07. Infocafé

Wer Lust bekommen hat, weiter zu diskutieren und mit uns das nächste internationalistische Projekt anpacken möchte -“ oder wer einfach an mehr Infomaterial, Büchern oder Filmen über Venezuela und anderen Regionen der Welt interessiert ist, sollte bei uns mal reinschauen!
Ab 19:00 Uhr im Subversiv, Burgstallstr. 54, Stgt.
(Wegbeschreibung: www.subversiv-stuttgart.de)

Buchvorstellung mit Heidi Hummler: Er-lebens-ver-lauf gegen den Mainstream

Eigentlich waren die Aufzeichnungen für die Enkelinnen und Enkel gedacht. Sie sollten erfahren können, wie ihre Oma Krieg und Nachkriegszeit erlebt hat, wie diese wurde was sie ist. Sie sollten ein Stück jüngster Geschichte vermittelt bekommen, die in Geschichtsbüchern, von Politik und Medien verschwiegen, zurechtgebogen oder diffamiert wird.

Heidi Hummler gehört zu dem Teil der Kriegsgeneration, der sich danach gegen die Spaltung Deutschlands, gegen die Remilitarisierung, das Wiedererstarken des Großkapitals, gegen Kalten Krieg und Neofaschismus engagiert hat, die sich in den Zeiten des sogenannten Wirtschaftswunders mit ihrem Mann ihr kleines Familienglück hart erarbeiten musste und als Gewerkschafterin für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation vor allem der Frauen eintrat. Sie ließ sich nicht vereinnahmen von der Meinung der Herrschenden -“ dem Mainstream -“ und versucht zu erklären, warum. So entstand ein sehr persönliches, mit vielen Bildern illustriertes Buch, das zu lesen sich lohnt.

Dienstag,09. Juni 2009 um 19 Uhr im Subversiv, Burgstallstraße 54, Stuttgart-Heslach


www.subversiv-stuttgart.de
cronjob