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DRR Nr. 114 erschienen

"wenn der erste Reporter umgelegt ist, der erste Richter umgelegt ist. Dann wissen Sie es, es geht los", machte der Hamburger Neonazi Jürgen Rieger Anfang der 1990er Jahre unmissverständlich einem Journalisten klar. Derartige Drohgebärden gehören zum Alltag von JournalistInnen, die über Neonazis berichten. Neu sind die zunehmenden Übergriffe.

Die neue Nummer #114 der antifaschistischen Fachzeitschrift "Der Rechte Rand" mit dem Schwerpunkt: Feindbild: Presse ist vor kurzem erschienen. Leseproben, auch älterer Ausgaben finden sich unter: www.der-rechte-rand.de

DER RECHTE RAND im Abonnement: Sechs Ausgaben im Jahr für 15,- Euro (Inland) und 19,- Euro (Ausland) und Soli-Abonnement für 25,00 Euro (abo@der-rechte-rand.de).

Böblingen: Ein Skandalurteil unter Polizeischutz

Sieben Angeklagte werden der schweren Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen. Drei Angeklagte werden zu Haftstrafen von einem Jahr und neun Monaten bis zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Vier Angeklagte erhalten Bewährungsstrafen von neun bis zehn Monaten.

Für die Angeklagten steht einiges auf dem Spiel. D. z.B. hat bereits Vorstrafen und Bewährungsauflagen, die er sich ebenfalls als Antifaschist „eingefangen“ hat, u.a. drei Verurteilungen (!) wegen des Tragens zerschlagener Hakenkreuze. Fünf der Angeklagten haben so genannten Migrationshintergrund; einem von ihnen droht bei Rechtskraft des Urteils die Abschiebung. Auch sie haben als von den Nazis besonders beleidigte „Ausländer“ Vorstrafen wegen ihres antifaschistischen Widerstands „auf dem Kerbholz“. Vor Gericht standen hier also politisch engagierte Antifaschisten, aber Richter Kirbach wollte „die Politik aus dem Prozess heraus halten“.

Der skandalöse Urteilsspruch löste tumultartige Szenen im Zuhörerraum aus und konnte nur unter Androhung von Geld- und/oder Haftstrafen, Saalverweisen und massiver Polizeipräsenz verlesen werden.
Und auch, wenn man es nicht fassen kann, das Folgende ist wortwörtlich:

„Auch wenn es keine direkten Beweise gibt, ich bin überzeugt, dass alle Angeklagten an der Prügelei beteiligt waren, um den Rechten eine Lektion zu erteilen“. So begründete Richter Kirbach das Urteil - und entsprechend war auch der Verlauf der zwei Verhandlungstage.

Die Zeugenaussagen der NPD-Anhänger waren widersprüchlich, ohne wirkliche Beweiskraft. Bei den Polizeizeugen war es ähnlich und es kamen grobe Mängel bei der Beweissicherung zu Tage. Sieben Angeklagte, sieben Rechtsanwälte, eine Fülle von Unklarheiten bei den Zeugenaussagen und Defiziten bei der Beweisführung, für den Richter kein Problem. Man fühlte sich erinnert an „Nathan der Weise“: „Der Jude wird verbrannt“! Er lehnte alle Anträge der Rechtsanwälte ab und zog den Prozess im „Schweinsgallop“ durch, am zweiten Tag musste die Verurteilung stehen, komme was da wolle. Richter Kirbach folgte mit geringfügiger Abweichung bei den Bewährungsstrafen der Vorgabe der Staatsanwältin, die, nachdem ihr das Freireden ziemlich misslungen war, den Text ablas, um dann genüsslich - in der Arroganz der Macht - ob ihrer provokanten Urteilsbegründung die Wut des „Volks“ im Gerichtssaal zu beobachten. Ihre Zusammenfassung war: Es handle sich um keinerlei politischen Protest -“ die Angeklagten hatten ja keine Umhängetafeln dabei (O-Ton) -“ sondern um reine Körperverletzung mit gemeinschaftlicher Planung, „bewaffnet“...,...“ hinterhältig und kriminell“.

Schon im Vorfeld und bei der Berichterstattung zum ersten Prozesstag hatten einige Journalisten die Intension von Richter Kirbach aufgegriffen, „die Politik aus dem Prozess heraus zu halten“ und zu betonen, es ginge bei dem Verfahren nur um die Verhandlung eines Delikts der Körperverletzung. Dabei wurde aber mit politischer Etikettierung nicht gespart, wenn es darum ging, die Angeklagten in eine politische Outlaw-Ecke zu manövrieren, in der Hoffnung, eine Solidarisierung in der Öffentlichkeit zu vermeiden. So wurde immer wieder betont, es handele sich hier um vorbestrafte Schlägertypen, um linke Radaubrüder, um Chaoten einer „Gruppe Rote Hilfe“, vom Verfassungsschutz beobachtet, die nichts anderes im Sinn hätten, als -“ so der Richter -“„den Rechten eine Lektion zu erteilen“.

Das Zauberwort aber hieß „Autonome“. Damit wurden die „erhöhten Sicherheitsvorkehrungen“ für die Angeklagten und besonders für „ihr“ Klientel im Zuschauerraum begründet.
Vor dem Zutritt zum Verhandlungssaal waren Polizeikontrollen aufgebaut, Leibesvisitation und Taschenkontrolle. Handys und Getränke wurden einkassiert, Personalausweise einbehalten, abgelichtet und die Kopien einzeln zum Richtertisch gebracht. Und diese Zeremonie 12 Stunden lang, bei jeder Pause -“ das „Volk“ hätte sich ja bei einer solchen Unterbrechung aufmunitionieren können. Fast unglaublich mit welcher Gleichmut dies die vielen Migranten und besonders die jungen Leute über sich ergehen ließen. Im Fall der Konfiszierung stiftähnlicher Gegenstände wie Kugelschreiber, Kajalstifte etc. hatte Richter Kirbach dann doch den Bogen überspannt und musste auf Protest der Rechtsanwälte diese Anordnung à la Stammheim rückgängig machen. Im Gerichtssaal setzten sich die Schikanen fort. Ermahnungen, Strafandrohung, häufig gegen junge langhaarige Frauen mit Piercings. (Dies entspricht offenbar dem Weltbild der Böblinger Justiz nicht!)

Interessant war auch das von Richter und Polizei eingeführte Vokabular: Motorradhauben wurden als „Sturmhauben“ bezeichnet, der Ort des Geschehens wurde zum „Kampfplatz“, Besenstiel oder abgesägter Billiardqueue mutierten zu „Bewaffnung“. Dass der „Kampfplatz“ nicht mehr an Gemetzel und Blut hergab, als Prellungen und jeweils eine Platzwunde bei zwei NPD-Anhängern, konnte der Richter gar nicht begreifen. Selbst drängende Nachfragen bei den Nazi-Zeugen ergaben jedoch kein Mehr an Blessuren.
In der politischen Zuordnung der Angeklagten und Prozessbeobachter wurde weder von der Presse noch vom Gericht gespart, während NPDler schlicht als Rechte verharmlost wurden.

Ausgangslage für die Gerichtsverhandlung war die NPD-Veranstaltung im Februar 2007, bei der Rennicke, einer der aggressivsten Naziakteure in Sachen Ideologieeinpeitscher auftrat. Rennicke ist den Verantwortlichen im Landkreis Sindelfingen/Böblingen sehr wohl bekannt, hatte er doch -“ bevor er 2004 ins mittelfränkischen Altengreuth bei Schillingsfürst verzog -“ in Ehningen bei Böblingen seinen Wohnort und Prozesse wegen Volksverhetzung u.a. in Böblingen. Er gehörte der verbotenen Wiking-Jugend an und ist NPD-Mitglied.1

Trotz NPD-Ankündigung des selbsternannten „nationalen Barden“ behauptete die Stadt Sindelfingen als Verpächter der Stadiongaststätte, sie habe von nichts gewusst, außerdem sei die Veranstaltung als Faschingsparty angemeldet worden. Nicht erst im Gericht wurde deutlich, dass die Verantwortlichen sehr genau um die NPD-Zusammenrottung aus allen Landesteilen wussten, denn es kam heraus, dass nicht nur Polizeistreifen Wache fuhren, sondern auch direkt vor dem „Floschenstadion“ Polizei in Zivil postiert war. (Trotzdem sprach der Richter des Öfteren von „Faschingsfeier“ und befragte die Nazizeugen nach ihrer Maskierung.)

An jenem 16. Februar 2007 gab es keinen Zweifel, dass die Behörden bestens informiert waren. Statt das NPD-Treiben zu verbieten, erging an die Öffentlichkeit Nachrichtensperre. Die Polizei, angewiesen von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, vom Verfassungsschutz und den örtlichen Sindelfinger Behörden, verstärkt durch auswärtige Einsatzkräfte, sollten für einen ungestörten Verlauf des braunen „Faschingstreibens“ sorgen. An der S-Bahnhaltestelle Goldberg wurden die ankommenden Antifaschisten von einem massiven Polizeiaufgebot erwartet. Schnell wurde nun klar, dass die Nazis vor Ort sein mussten. Doch statt ihren Protest zum Ausdruck bringen zu können, wurden die Antifaschisten eingekesselt, zur S-Bahn und Rückfahrt durch Polizeieskorte gezwungen.

Jetzt vor Gericht, werden diese Gewaltmaßnahmen, die mit Rechtstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit nichts mehr zu tun hatten, damit gerechtfertigt, dass es darum ginge, Links und Rechts auseinander zu halten.

Die Festnahme der sieben Männer und ihre jetzige Verurteilung sollen davon ablenken, wie damals am 16. Februar 2007 die Verantwortlichen die Nazi-Veranstaltung beschirmten. Verdeckt werden soll auch die Unverhältnismäßigkeit der Mittel, die die Polizei anwandte, um die angeblichen Täter zu schnappen. Da gab es abenteuerliche Verfolgungsjagden, ohne erkennbar zu sein, dass die Verfolger Polizisten waren, erkennungsdienstliche Behandlung, erzwungene DNA-Proben, Führerscheinentzug und Beschlagnahme der Autos.

Aber es sollte ja „auf Teufel komm-™“ raus verurteilt werden:
Unwichtig
• warum man sich in Sindelfingen aufhielt,
• dass man von der Polizei gezwungen wurde mit der S-Bahn nach Stuttgart ohne das abgestellte Auto zu fahren
• dass keiner der Angeklagten von den Zeugen als Täter überführt wurde
• dass keiner auf den Polizeifotos, in derselben Nacht geschossen, schwarz, vermummt, mit Kapuzen bekleidet war
• dass keine der „Waffen“ mit Blut befleckt war und keine „Waffe“ einem der Angeklagten zugeordnet werden konnte.

Unwichtig
• dass die Anzahl der „Täter“ laut Zeugenaussagen viel höher sein musste,
• dass schließlich dunkle Nacht und schlechte Beleuchtung herrschte.

Gerichte, Behörden und Staatsorgane rechtfertigen ihr Vorgehen damit, dass sie eine Eskalation zwischen Links und Rechts, wie damals in der Weimarer Republik, verhindern wollen. Bei diesem Geschichtsbild aus der untersten Schublade wird geflissentlich übersehen, dass damals bereits die so genannten „Eliten“ aus Wirtschaft, Staatsapparat und nicht zuletzt der Justiz ganz überwiegend rechts standen, die Nazis förderten und schließlich an die Macht brachten. Den Widerstand gegen diese verhängnisvolle Entwicklung zu verhindern -“ darin sahen diese Kräfte ihre vornehmste Pflicht.

Und der Herr Richter Kirbach muss sich die Frage gefallen lassen: „Haben Sie denn gar nichts gelernt? Wissen Sie noch immer nicht, dass Faschismus keine Meinungsäußerung ist, sondern ein Verbrechen?“
Links gegen rechts aufzuwiegen, würde eine Verharmlosung des Faschismus bedeuten und dem Staat und seiner Polizei noch mehr Befugnisse einräumen, um mit den ach so ungeliebten, weil unbequemen Nazigegnern kurzen Prozess zu machen. Junge Antifaschistinnen und Antifaschisten sind es heute, die unermüdlich und vorne dran den Faschisten, diesen Totengräbern der Demokratie und Feinden sozialen Fortschritts, die Stirn bieten.

Mit seinem Urteil muss sich Richter Kirbach auch fragen lassen, ob er den Widerstand gegen die Kandidatur der NPD für den Sindelfinger Gemeinderat diskreditieren will. Die Demonstration am 19.Juli 2008 in Sindelfingen hatte schließlich gezeigt, dass viele Menschen auch bereit sind, gegen die Nazikandidatur auf die Straße zu gehen.

Die Solidarität mit den Angeklagten, die in die nächste Instanz gehen, wird Teil der Auseinandersetzung sein, die auch die VVN-BdA (Kreisvereinigung Leonberg-Sindelfingen-Böblingen) unterstützt:

Nazis keine Basis bieten
Gegen Rechts -“ für Links!
NPD-Verbot jetzt!

Unterschriftensammlung und offener Brief gegen die Verfolgung ehemaliger jüdischer Partisanen in Litauen

Letzten Sonntag hatte wir hier über den Skandal mit der Generalstaatsanwaltschaft der zur "Europäischen Kulturhauptstadt 2009" ernannten litauischen Hauptstadt Vilnius berichtet. Diese ermittelt gegen jüdische Anti-Nazi-Partisanen wegen Kriegsverbrechen, die diese angeblich begangen haben sollen. Ultrarechte Medien beschimpfen die Überlebenden der Shoa als "Terroristen" und "Verbrecher".

Der "Berliner Arbeitskreis Konfrontationen" hat seit einiger Zeit einen mit einer Unterschriftensammlung verbundenen offenen Brief veröffentlicht, mit dem die Einstellung der Ermittlungen gegen ehemalige jüdische Partisanen in Litauen gefordert wird. Gesamelt wird noch bis zum 28. September. Der Brief und die Liste werden dann dem litauischen Botschafter in Berlin, dem deutschen Botschafter in Litauen und dem Europaparlament zugesendet.

Weitere Hintergründe hatte Burkhard Schröder in einem Beitrag bei telepolis und einem Nachtrag in seinem Blog verfasst. Siehe auch:

• Peter Nowak in Neues Deutschland: "Litauens Justiz macht Jagd auf Partisanen"
• Beitrag von Robert B. Fishman in Die Jüdische: "Hauptstadt des Rassismus"
• Beitrag von Frank Brendle: "Nazigegner verfolgt"
Offener Brief von Tobijas Jafetas (Union of Former Ghetto and Concentration Camp Prisoners) und Dr. Simonas Alperavicius (Lithuanian Jewish Community)

Via Ostblog / Antifa Frankfurt

Hier tagten diejenigen, die uns ein Vorbild sind...

Ernst Thälmann

Quelle: WikiMedia

Am 11. September wurde im Beitrag "Späte Rache? Thälmann Gedenkstätte von Abriß bedroht" vom Stand der Auseinandersetzung um die Ernst Thälmann Gedenkstätte, dem "Sporthaus Ziegenhals" berichtet. Dort fand am 7. Februar 1933 - eine Woche nach der Machtübergabe an die Faschisten - die "Illegale Tagung des ZK der KPD" statt. Bei dieser Tagung hielt Ernst Thälmann, damaliger Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands, seine letzte Rede vor dem Zentralkomitee. In der Rede nahm er unter anderem eine erste Bewertung der Machtübergabe an die Faschisten vor und arbeitete weitere Schritte zur Fortsetzung der Arbeit der Partei heraus.

Er behandelte darin "umfassend die Situation und alle wesentlichen Aspekte der Politik der KPD. Thälmann arbeitete die jähe Wendung heraus, die mit der Errichtung der offenen faschistischen Diktatur eingetreten war, gab aber bereits eine tiefgründige Analyse der grundlegenden Widersprüche und Schwächen dieses Regimes. Aus dieser Analyse leitete er sowohl die nächsten als auch die langfristigen Aufgaben zur Bekämpfung der Hitlerdiktatur ab, wobei er die Fragen des Massenkampfes, der Einheitsfront- und Bündnispolitik betonte. Er vertiefte die Behandlung der unmittelbaren antifaschistischen Kampfaufgaben, unterstrich deren relative Selbständigkeit, und er beleuchtete die Fragen des Weges zur politischen Macht der Arbeiterklasse differenzierter, als es bis dahin geschehen war." (Fußnote)

64 Jahre nach der Ermordung Thälmanns durch die Faschisten ist die weitere Existenz dieses, dem Gedenken an den frühesten Widerstand gegen den Hitlerfaschismus gewidmeten Ortes, sehr fraglich. Vor dieser Gedenkstätte fand am 28. August, wie auch an anderen Orten, eine Kundgebung anläßlich des 64. Todestages Ernst Thälmanns mit internationalen Besuchern statt. Bei der Kundgebung hielt Max Renkl eine auf der Seite des "Revolutionären Freundschaftsbundes e.V." dokumentierte Rede, in der er auf den aktuellen Stand der Auseinandersetzung behandelte und dabei vor allem auch auf die besondere Bedeutung der Gedenkstätte Ziegenhals für eine Erziehungsarbeit in antifaschistischem Geist einging ebenso wie auf die Bedeutung Ernst Thälmanns für heutige Kämpfe um eine gesellschaftliche Perspektive: "Hier tagten diejenigen die uns ein Vorbild sind, weil sie ihr ganzen Leben und ihre ganze Persönlichkeit für eine bessere Zukunft eingesetzt haben."

Die Vorgänge sind auch Gegenstand einer Presseerklärung der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke: "Wenn eine antifaschistische Gedenkstätte dem Profitinteresse eines Einzelnen geopfert würde, wäre das ein fatales Zeichen. Zu einer Zeit, in der Neonazis immer gewalttätiger auftreten und bereits in mehreren Parlamenten ihre menschenverachtende Hetze verbreiten ist die Erinnerung an den Widerstand gegen den Faschismus unverzichtbar."

Am heutigen "Tag des offenen Denkmals", startet der Freundeskreis "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals", e. V. eine Protestaktion für den Erhalt und die Wiedereröffnung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte. Mehr Informationen

Der Vorstand des "Freundeskreises Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals e. V." hat einen ausführlichen Bericht über seine Sicht der gegenwärtigen Situation im Ringen um die Erhaltung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals verfasst, den wir nachfolgend dokumentieren:
"Hier tagten diejenigen, die uns ein Vorbild sind..." vollständig lesen

Späte Rache? Thälmann Gedenkstätte von Abriß bedroht

Am 7. Februar 1933, eine Woche nach der Machtübertragung an Hitler, fand im "Sporthaus Ziegenhals", einer Gaststätte am östlichen Ufer des Zeuthener Sees südöstlich von Berlin, die "Illegale Tagung des ZK der KPD" statt. Dort hielt Ernst Thälmann, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands, seine letzte Rede. Zum Gedenken daran wurde am 9. Februar 1953 in dem Gebäude die "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" eingeweiht.

Am 18. August 1944 wurde Ernst Thälmann, vermutlich auf direkten Befehl Hitlers, erschossen und sein Leichnam sofort verbrannt. Die deutschen Faschisten sperrten ihn bereits kurz nach der Machtübertragung am 3. März 1933 ein. 11 Jahre verbrachte er in Einzelhaft, ein Prozess wurde ihm nie gemacht, zu groß war die Angst der Nazis vor einer ähnlichen Blamage, wie sie sie beim Reichstagsbrandprozess erlitten haben.

Über 60 Jahre nach der Ermordung Thälmanns hat die BRD offenbar immer noch Probleme mit der Ehrung des Vorsitzenden der KPD. Das folgt der bundesdeutschen Tradition, den antifaschistischen Widerstand auf den um Stauffenberg und andere zu reduzieren und vor allem den kommunistischen Widerstand, der von der Masse und Wirksamkeit am effektivsten war und der auch die meisten Opfer zu beklagen hatte, zu verschweigen. So wurden nicht erst mit der Wende mit der Umbenennung zahlreicher Plätze, Straßennamen, Schulen usw. der Versuch unternommen die Erinnerung an diese antifaschistischen Widerstandskämpfer zu tilgen.

So muss seit 1990 der "Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" um den Erhalt der dortigen Gedenkstätte kämpfen: Die Zukunft der Gedenkstätte ist nach der Versteigerung des "Sporthauses Ziegenhals" nach wie vor ungewiß.

Der "Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals" e. V. nahm den "Brandenburg-Tag", der am Wochenende in Königs Wusterhausen bei Berlin stattfand, zum Anlaß, ein Flugblatt zu verteilen, das auszugsweise bei StattWeb dokumentiert wurde:

Eine bedeutende antifaschistische Gedenkstätte in Ziegenhals soll vernichtet werden -“ auch das ist Brandenburg! Oder?

Es hört sich manchmal an wie aus einem Politkrimi. Doch es geht nicht um Fiktion und schon gar nicht um Unterhaltung; es geht um eine bittere, ja, skandalöse Realität! Ein Spitzenbeamter des Landes Brandenburg, tätig im Ministerium für Infrastruktur und Raumplanung, ersteigert sich billig ein Grundstück auf der eine denkmalgeschützte Gedenkstätte steht, tauscht die Schlösser zur Gedenkstätte aus, läßt alles verkommen und will schließlich die Gedenkstätte abreißen lassen. Als seine Pläne, die Gedenkstätte durch Sommervillen zu ersetzen, wegen bundesweiter und internationaler Proteste nicht zu realisieren sind, will er wieder verkaufen und das mit höchstmöglichem Profit. Doch scheinbar sind seine Preisvorstellungen zu hoch -“ die Verhandlungen enden ergebnislos.
Anstatt die Aussichtslosigkeit seines Tuns einzusehen, versucht er nun die Einheit von Grundstück und Inventar zu trennen, um beides separat -“ mit noch höheren Gewinnaussichten -“ zu verhökern. Abgesehen davon, daß er zum Verkauf des Inventars nicht berechtigt ist, will er sich dadurch der letzten Hürde entledigen, die einem Abriß noch im Wege stehen. Die Gedenkstätte ist augenblicklich wieder akut bedroht! (...)

Anfangs bezeichnete der Spitzenbeamte nämlich das Inventar uns gegenüber als "wertloses Gerümpel" und wollte es auf die Straße stellen, dann wollte er es für 3000 Euro verkaufen und nun soll es plötzlich über 100000 Euro wert sein! (...)

Der Eigentümer bot dem Bürgermeister der Stadt Königs-Wusterhausen (KW) das Inventar zum Verkauf an. Dabei hat er in einer Anlage erstmalig eine Liste über das Inventar vorgelegt und Preisvorstellungen zu einzelnen Stücken geäußert. Uns wurde diese Liste mit der Bitte um Prüfung und Stellungnahme vorgelegt. Wir haben sie eingehend überprüft und können bislang sagen: Die vorliegende Inventarliste ist oberflächlich erstellt, manche Gegenstände sind ausgepreist, manche nicht, die Preise sind beliebig festgelegt. (...)

Der ganze hier geschilderte Sachverhalt, ist nun seit mehreren Wochen den größeren politischen Parteien in Brandenburg, der SPD, der Partei die Linke und der CDU bekannt und keiner hat bisher etwas getan. Alle sehen zu, wie ein leitender Beamter Brandenburgs versucht, möglichst viel Geld zu scheffeln. (...) Reagiert hat nur die deutsche Justiz. Das Gericht nahm das Urteil quasi vorweg, indem es schriftlich mitteilte: "in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (...) wird darauf hingewiesen, daß erhebliche Zweifel an der Klagebefugnis des Klägers bestehen. Die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes dienen ausschließlich dem öffentlichen Erhaltungsinteresse. Privatpersonen werden nicht dadurch zu Begünstigten dieser Vorschriften, daß sie ein eigenes Interesse an der Erhaltung bestimmter Sachen haben." Welche Interessen vertritt dann eigentlich der Herr, der diese Gedenkstätte verkommen läßt, der diese wichtige Mahnstätte des deutschen Widerstands abreißen lassen will, um hier Sommervillen zu errichten? Welches Interesse vertritt jemand, der auf Kosten eines denkmalgeschützten Ortes sich bereichern will? (...)

Wir rufen auf, uns in dieser äußerst kritischen Situation zu unterstützen und fordern:
• Die Abrissgenehmigung muß vom Tisch!
• Stoppt den Verfall von Gebäude und Areal!
• Überprüfung von Rechtmäßigkeit und Gültigkeit des Gesamtdeals! Wiedereröffnung und Erhalt der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte am authentischen Ort!
Die Gedenkstätte gehört der Öffentlichkeit! Schreibt Briefe an die Landesregierung und Leserbriefe an alle Zeitungen, macht diese Fakten öffentlich!

Die Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bleibt!

Lesetipps:
Lehren des Hamburger Aufstandes
Briefe aus dem Gefängnis an seine Angehörigen 1933 - 1937
Rede von Jaromir Blecha, Vorsitzender der Abteilung Internationale Verbindungen beim ZK der Kommunistischen Partei Böhmen und Mähren (KSCM) in Ziegenhals am 19. August 2007 (Via Das rote Blog)

Blut, Ehre, Volksgemeinschaft und Rechtsrock: Hintergründe zum neonazistischen „Fest der Völker“

Ein an den Außengrenzen abgeschottetes Europa reicht ihnen nicht: Die europäischen Neonazis fordern die geschlossene nationale Volksgemeinschaft. So weit -“ so alt. Seit einigen Jahren fordern sie durch transnationale Events ein „Europa der Vaterländer“.

In diesem Jahr soll zum dritten Mal das sogenannte „Fest der Völker“ stattfinden. Dabei handelt es sich um die größte, derzeit regelmäßig veranstaltete Nazikundgebung mit Festivalcharakter in Deutschland.

Zum ausführlichen Beitrag von Max Bauer bei IndyMedia

Aus Stuttgart wird ein Bus zu den antifaschistischen Gegenaktivitäten fahren. Hier gibt es den Aufruf der Antifaschistischen Jugend / Bundesweite Aktion
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