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Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Block?

Am 2.6.1967 demonstrierten in Berlin junge Menschen gegen den Besuch des Schah von Persien, nachdem sie durchschaut hatten, dass er nicht ein Märchenkaiser mit seiner früheren Frau Soraya und der Nachfolgerin Farah Diba war, sondern ein Despot, von den Briten und den USA eingesetzt. Der Polizist Kurras knallte den demonstrierenden Studenten Benno Ohnesorg buchstäblich ab. Im April 68 wurde dann Rudi Dutschke von einem aufgehetzten Arbeiter schwer verletzt. All das geschah vor dem eskalierenden Vietnam-Krieg der USA. In den Köpfen vieler Menschen wandelten sich die USA vom Befreier vom Faschismus und Demokratiebringer zur barbarischen Kolonialmacht. Voller Wut und Ohnmacht gingen viele junge Menschen, darunter viele StudentInnen auf die Straße und warfen Steine, z.B. auf Amerika-Häuser. Eine Gewaltdebatte begann. Dahinter verbarg sich allerdings der Einspruch gegen das Gewaltmonopol des Staates.
Die jungen Menschen damals begriffen in einem Schnelldurchgang, dass die Gewalt vom Staat und von den kapitalistischen Verhältnissen ausging. -šIhre-™ Gewalt war bestenfalls Gegengewalt, meistens symbolische - gemessen an den Barbareien von Kapital und Regierungen...“

NWI extra zum G8-Gipfel vom Juni 2007 beim LabourNet

Repression während des Gipfels

Es gibt bei IndyMedia bereits eine umfangreiche Zusammenfassung über die Aktivitäten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm vom 2. bis 8. Juni 2007. Ein lesenswerter weiterer ausführlicher und bebildeter Artikel des Freiburger "Autonomen Medienkollektives" setzt den Fokus auf die Repressionen während des Gipfels...

Die "Rote Hilfe" hat eine umfassende Chronik auf IndyMedia veröffentlicht.

Bild: IndyMedia

Guantanamo liegt in Rostock-Schmarl

Massenknäste, zu denen man früher "KZ" gesagt hätte, Angriffe auf Pressevertreter und Anwälte, Demonstrationsverbote, Gummigeschossdiskussion, Razzien und "agent provocateurs": All das war nötig, um das G8 Treffen durchzuführen und kennzeichnet gleichzeitig damit die politische und moralische Niederlage des Treffens der G8 besser als diese Ein/Angriffe auf die sogenannten "bürgerlich demokratischen Rechte", auf die von Staats wegen offensichtlich gepfiffen wird. Und jetzt auch noch Käfige für Gefangene. Der "Rechtsstaat" proudly presents:


Bildquelle und Gespräch mit einem Betroffenen: "junge Welt"

Man kann ja immer noch dementieren, diffamieren oder hinterher zugeben, daß es alles nicht so korrekt gewesen ist. Trotz all diesem Aufwand gelangen auch heute wieder zahlreiche Protestaktionen und zeigten, daß die Bemühungen, den berechtigten Protest zu verhindern, im Grunde aussichtslos waren.

Auch solche Einrichtungen wie die Guantanamokäfige in Rostock-Schmarl können und werden nicht über die Tatsache hinwegtäuschen können, daß das G8 Treffen auch ergebnislos ist: Die G8 Vertreter zeigten heute in Heiligendamm, daß sie nicht in der Lage sind, die brennendsten Menschheitsprobleme beispielsweise wie die drohende Klimakatastrophe in den Griff zu bekommen.


Auflösung der Knäste - sofortige Freilassung der Inhaftierten!

Dazu Auszüge aus der Pressemitteilung des Republikanischen Anwaltsvereins:

"Wie im Zoo" - Unmenschliche Haftbedingungen in der Gefangenensammelstelle Industriestraße

Wie erst heute dem Legal Team/Anwaltlicher Notdienst bekannt wurde, werden in der Gefangenensammelstelle Industriestraße in Rostock-Schmarl seit Beginn der Proteste gegen den G8-Gipfel Personen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Metallkäfigen untergebracht. In einer großen Industriehalle sind auf dem Firmengelände von Siemens käftigartige Zellen errichtet, in denen bis zu 20 Menschen festgehalten werden. Die provisorischen Zellen sind ca. 25qm groß und von allen Seiten sowie von Oben einsehbar. Frauen und Männer sind gegenüberliegend, in direkt einsehbaren Zellen untergebracht. Die dort Untergebrachten müssen auf dem Boden schlafen, lediglich eine ca. ein Zentimeter dünne Gummimatte wird ihnen zur Verfügung gestellt. Die Halle ist in der Nacht permanent beleuchtet und wird ununterbrochen per Video überwacht. Zudem beobachten Polizeibeamte die nach oben offenen und mit Netzen überspannten Käfige regelmäßig. Den Festgehaltenen ist es nicht möglich, zu duschen. Sie erhalten lediglich ein Stück Brot, eine Scheibe Wurst und auf Nachfrage Wasser. Die Beamten müssen nicht nur jeden Gang zur Toilette, sondern auch jeden Schluck Wasser protokollieren.

Dem Legal Team/Anwaltsnotdienst liegt der Fall eines belgischen Staatsbügers vor, der zum Zeitpunkt dieser Meldung seit dem 6. Juni, also über 24 Stunden und eine Nacht, unter diesen Bedingungen festgehalten wird. "Wie im Zoo", so bezeichnet der Mann die Art seiner Unterbringen. Gegen ihn wird nicht strafrechtlich ermittelt.

Nach Ansicht des Legal Team/Anwaltsnotdienst verstoßen diese Bedingungen der Freiheitsentziehung gegen elementare Grundrechte und sind mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Rechtsstaatsprinzips nicht zu vereinbaren. "Zur Sicherung dieser Grundrechte fordern wir die sofortige Entlassung aller dort Festgehaltenen und die Schließung dieser Einrichtung," fordert ein Sprecher des Anwaltlichen Notdienstes.
(...)

Feuer frei!

Seit langem geplant: Broschüre von 1982,
dokumentiert auf nadir
Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert, Einsatzkräfte mit Distanzwaffen auszustatten. Die Industrie habe wirksame Gummigeschosse entwickelt, die in vielen Ländern erfolgreich eingesetzt würden. „Nur in Deutschland werden Polizistinnen und Polizisten immer wieder Hundertschaftsweise zur Steinigung freigegeben“ so der Landeschef der Deutsche Polizeigewerkschaft Nordrhein-Westfalen Rainer Wendt in der "Zeit". Was solche Gummigeschosse alles anrichten können, kann bei PigBrother und hier begutachtet werden. Auf nadir gibt es eine ausführliche Dokumentation zu dem seit Anfang der 80er Jahre geplanten Einsatz sogenannter "Distanzwaffen".

Was bereits damals der Punkt war, ist auch heute noch hochaktuell:
Gummigeschosse stellen (...) eine neue Qualität dar: Das Zielen und Schiessen auf Menschenmengen baut in beträchtlichem Masse letzte psychologische Hemmschwellen bei der Polizei ab und wird, neben schweren Verletzungen, auf Seiten demonstrierender Bürgerinnen und Bürger bereits vorhandene Ohnmachtsgefühle steigern.

Es wird gerne von den Reaktionären behauptet, mit dieser Ausrüstung wäre "Chancengleichheit" auf Demonstrationen hergestellt. Was soll das eigentlich: Auf durch das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit abgesicherte Demonstrationen erscheinen tausende mit Schusswaffen ausgerüstete Beamte in Kampfmontur mit Panzerwagen und Wasserwerfern sowie mit Hunden, Knüppeln, Gaswaffen und mehr. Jeder Demonstrant, der sich mittels Helm, Halstuch und Stahlkappenschuhen vor der Wirkung dieser Aufrüstung schützen will, kann wegen "Passivbewaffnung" oder "Vermummung" sofort festgenommen werden.

Ich persönlich lehne Steinewerfen usw. als offensive Demonstrationstaktik ab und distanziere mich davon natürlich. Zum Umgang mit der Polizeirepression auf Demonstrationen lieferte "Commander Shree Stardust" im Artikel "Bewegt euch!" interessante Überlegungen, die aber auch eine deutlich bessere Organisierung vor Ort erfordert.

Eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung lässt sich mit Sicherheit auch nicht dadurch erreichen, indem sich ein paar Leute in einem Ostsseestädtchen Scharmützel mit der Polizei liefern. Es geht bei der gegenwärtigen Diskussion - wie bereits erwartet - aber auch nicht um den Schutz der Polizisten sondern um den Abbau des sowieso schon stark eingeschränkten Rechts auf Demonstrationsfreiheit. Die "Rostocker Ausschreitungen" sind dafür nur noch Mittel zum Zweck. Wann tauchen die ersten derart aufgerüsteten Polizisten auf Gewerkschaftsdemonstrationen auf?

Polizeiprovokationen verantwortlich für Eskalationen in Rostock

Die Pressegruppe bei gipfelsoli.org hat inzwischen eine Presseerklärung und ein Video veröffentlicht, das die Straßenschlachten des 2. Juni in Rostock in ein neues Licht stellt. Während die Polizei behauptet, auf Angriffe reagiert zu haben, wird in dem Video deutlich, dass den Auseinandersetzungen eine brutale Festnahme voranging. Siehe auch den Bericht auf IndyMedia.

Der Bericht deckt sich weitgehend mit dem, was ich selber erlebt habe: Samstag war ich zusammen mit ca. 80.000 Menschen in Rostock um gegen den nahenden G8-Gipfel in Heiligendamm zu demonstrieren. Mit Razzien, von denen dem unter anderem auch das Umbruch Bildarchiv, für das ich fotografiere, betroffen war, durch unzählige Provokationen und Schikanen wurde seit Monaten von staatlicher Seite die Stimmung systematisch aufgeheizt. Während die Anreise per attac Zug ohne Komplikation verlief, begannen am Platz der Freundschaft erste Provokationen durch Behinderung der Pressearbeit durch die Polizei, die die Eisenbahnbrücke mit der Begründung, dieses sei "Privatgelände" räumen wollte.

• Foto : Demozug
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Dabei wurden einige Presseleute auch mit körperlicher Gewalt von der Brücke gedrängt.

• Foto : Pressefreiheit?
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Die Proteste der Pressefotografen und der zu diesem Zeitpunkt an der Brücke eingetroffenen Demonstration zeigten dann Erfolg.

• Foto : In Ruhe lassen!
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Die Polizei war während der Demonstrationen ständig zu sehen, vor allem der ständig im Tiefflug über der Demonstation schwebende Hubschrauber nervte gewaltig und übertönte über weite Teile des Zuges die Demonstrationsparolen und -reden.

• Foto : Hubschrauber
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Als die beiden kilometerlangen Demonstrationszüge am Rostocker Hafen ankamen, verstärkten sich die Provokationen durch die Polizei. Um mir einen Überblick über das riesige Gelände, das ca. 60.000 Menschen Platz bietet zu verschaffen, bin ich auf eine Anhöhe gegangen, die in einiger Entfernung zum Ort des Geschehens lag. Von dort aus konnte ich verfolgen, wie die Polizei offenbar versuchte, den "schwarzen Block" durch Angriffe auf deren Truck zur Gegenwehr und Angriffen zu veranlassen.

• Foto : Polizeiangriff
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Als dies nicht zum Erfolg führte, wurden gezielt Polizeikräfte durch die Menschenmenge und durch die Demonstrationen geführt.

• Foto : Polizeimarsch durch Demonstration
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Dabei kam es nach Augenzeugenberichten zu Handgreiflichkeiten durch die Polizei. Das löste dann auch Steinwürfe einzelner Personen aus, zu deren Identität und Herkunft sich aus der Entfernung natürlich nichts sagen lässt. Es können genauso gut Provokateure bei den Steinewerfern dabei gewesen sein.

Die unzähligen Aktionen der Polizei zogen sich über Stunden bis zum Abend hin. Wenn man vor der Bühne stand, bekam man nicht mit, was am anderen Ende des Platzes passierte. Das Konzert wurde zwar zweimal unterbrochen, um die Menge auf die Polizeirepressionen hinzuweisen, es wäre meiner Ansicht nach richtig gewesen, das Konzert abzubrechen, bzw. so lange zu unterbrechen, bis die gesamte Menschenmenge auf dem Platz auf die Polizeiaktionen aufmerksam geworden ist und dagegen protestieren kann. So waren die unmittelbar vor Ort beteiligten Demonstranten den Angriffen der Polizei ausgeliefert und nur eine unzureichende Koordination des Widerstandes möglich. Warum das so behandelt wurde, wird für mich in den folgenden Aussagen deutlich: "Wir wollen euch nicht sehen!", erklärte ATTAC-Sprecher Peter Wahl am Sonntag im Fernsehsender nt-v in Richtung Autonome. Bei dem "schwarzen Block" handele es sich "um eine Gruppe von Personen, die mit der Absicht, Krawall zu machen, angereist ist." Woher er diese Einschätzung nimmt, kann er nur selber wissen. Ob er will oder nicht, liefert er mit dieser Aussage jedoch eine Steilvorlage zur Spaltung der breiten Bewegung. Siehe auch die attac Presseerklärung

Nachdem im schon Zug kaum an Schlaf zu denken war, bin ich in die Rostocker Innenstadt um ein wenig auszuruhen und etwas zu Essen. Leider war Burger King schon zu, da hätte mir das Essen aber auch nicht geschmeckt, also sind wir weiter bis wir etwas geeignetes fanden.

• Foto : Burger King hat zu
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In der Innenstadt das selbe Bild, überall Polizei, Karstadt hatte die Fenster vernagelt.

• Foto : Kaufhof
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Wir dann lieber wieder an den Hafen gegangen. Dort hatte sich inzwischen die Auseinandersetzung verschärft, die Polizei hatte Wasserwerfer und Panzerwagen aufgefahren.

• Foto : Wasserwerfer
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Auf dem Platz am Hafen habe ich zu diesem Zeitpunkt keinen "schwarzen Block" mehr gesehen, sondern nur eine Masse von Demonstanten, die versuchten, dem Konzert zuzuhören, etwas an den zahlreichen Essens- oder Getränkeständen zu bekommen. Das war jedoch ab dem mittleren Bereich des Platzes kaum mehr möglich, da ständig die BFE - Einheiten und andere Polizeikräfte ohne Grund in die Menschenmenge eindrangen.

• Foto : BFE Festnahme
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Wer von den Festgenommenen Widerstand leistete, wurde auch von der zahlreich vertretenen Zivilpolizei mit Reizgas fertig gemacht.

Foto: IndyMedia

Als es für einige Beamte zu eng wurde, kam es wiederholt zum Wasserwerfereinsatz, bei dem ich mich - unfreiwillig - auch mit einer vollen Ladung erfrischen konnte.

• Foto : Ich werde gleich nass
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"Wie klein die Welt ist" dachte ich mir, als ich Daniel Weigelt vom "roten Blog" auf dem Platz traf. Leider fanden wir kaum mehr Zeit als um ein paar Worte zu wechseln. Daniel hat einen reich bebilderten Bericht von seinen Erlebnissen verfasst.

Hätte ich mir die Zeit bloss genommen, denn kurze Zeit später stiegen mir die Tränen in die Augen. Vor lauter Tränengas, mit dem die Menge auf dem Platz wiederholt bei Einsätzen beglückt wurde.

• Foto : Tränengas
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In der Nähe des Platzes waren zahlreiche Anwohner auf der Straße, und forderten die Polizei auf, die Provokationen zu unterlassen.

• Foto : Anwohnerprotest
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Im Verlauf des Abends sind wir dann ins Camp gegangen, um auszuruhen und uns für die Rückfahrt am nächsten Morgen vorzubereiten. Auf dem Weg dort hin trafen wir auf weitere Wasserwerfer und sahen 7 Transporthubschrauber über dem Camp fliegen.

• Foto : Bedrohung
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Das Camp am Grenzschlachthof im Rostocker Hafen selbst ist eine Ansammlung von Barrios mit hunderten von Zelten, Infoständen und einem großen Zirkuszelt.

Da nicht klar war, ob das Camp von der Polizei abgeriegelt wird, sind wir später wieder in die Innenstadt gegangen, in der Hoffnung, eine Kneipe zu finden, die noch auf hat. Die Innenstadt war jedoch bis auf die zahlreiche Polizei und umherziehende Demoteilnehmer praktisch entvölkert, die bürgerlichen Medien hatten in ihrer Berichterstattung ganze Arbeit geleistet, wer von den Rostockern sich nicht lieber selber ein Bild vor Ort machte, blieb wohl lieber zuhause.

Für den heutigen Montag sind mehrere dezentrale Protestaktionen sowie eine "Demonstration für globale Bewegungsfreiheit" vorgesehen. Am Dienstag ist eine Palästinaveranstaltung geplant, außerdem stellt sich die Linksfraktion des Bundestages in Bad Doberan der öffentlichen Diskussion. In den Camps finden abends Kulturveranstaltungen statt. Mittwoch und Donnerstag finden die Blockaden der Zufahrten nach Heiligendamm statt. An diesen Tagen findet auch der alternative Gegengipfel statt.

Freie Versionen meiner Fotos gibt es bei Flickr

Dieser Bericht auf StattWeb und -mit zahlreichen Kommentaren - auf IndyMedia

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