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"Wir müssen breiten Protest auf die Beine stellen"

Gestern abend war das Vorbereitungstreffen zur am 6. Dezember, 14 Uhr in Stuttgart geplanten Demonstration gegen das neue baden - württembergische Versammlungsrecht im kleinen Saal des Stuttgarter DGB Hauses gut besucht. Am 11.11. am 25.11. sowie am 2.11. wird es weitere Vorbereitungstreffen zur Demo am 6. Dezember in Stuttgart geben. Es wurde ein Vorbereitungskommitee gebildet, das für einen Aufruf, Plakate, die genaue Demoroute und die Kommunikation sorgen wird.

In der heutigen "jungen Welt" ist ein Interview zu lesen:

Ralf Wurzbacher

"Wir müssen breiten Protest auf die Beine stellen"

Vorbereitungstreffen für Demos gegen verschärftes Versammlungsgesetz in Baden-Württemberg. Ein Gespräch mit Thomas Trüten

Thomas Trüten ist Leitungsmitglied der IG Metall Vertrauensleute beim Automatisierungsunternehmen FESTO in Esslingen und Mitglied der IG-Metall-Delegiertenversammlung Esslingen

Die Landesregierung von Baden-Württemberg plant eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes nach bayerischem Vorbild. Wie weit hat sich das in der Bevölkerung schon herumgesprochen?

Vielen Menschen ist das noch nicht bewußt, auch weil darüber in den Medien kaum berichtet wird. Wirklich im Bilde sind vor allem politisch Aktive, deren Arbeit vom Gesetzesvorhaben betroffen sein wird. Die gegenwärtige Schwäche des Widerstandes führe ich vor allem darauf zurück, daß im Lager der Gegner und Kritiker der Ausgang der laufenden Verfassungsklage gegen das bayerische Pendant abgewartet wird.

Das Gesetz soll schon zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Wird die Zeit nicht sehr knapp?

Es muß in der Kürze der Zeit ein breiter Protest auf die Beine gestellt werden. Ich bin aber zuversichtlich. Es werden mindestens drei Demonstrationen gegen das Versammlungsgesetz stattfinden: Am 29. November in Mannheim, am 6. Dezember in Stuttgart und am 13. Dezember in Freiburg. An einem Vorbereitungstreffen am Dienstag waren u. a. Gewerkschafter sowie Vertreter von ATTAC, vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und der Humanistischen Union beteiligt.

Welche Einschränkungen des bestehenden Versammlungsrechts plant die Regierung?

Künftig soll es möglich sein, in praktisch jede öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder in Gebäuden einzugreifen und sie zu beenden. Es sollen die persönlichen Daten aller Ordner verlangt werden können, was bei größeren Veranstaltungen einen unvorstellbaren Aufwand bedeuten würde. Nur ein Beispiel: Beim europäi­schen Aktionstag gegen Sozialabbau am 3. April 2004 in Stuttgart waren 2000 Ordner im Einsatz. Dazu soll es der Polizei per "Militanzverbot" möglich sein, gegen Versammlungen vorzugehen, die den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermitteln. Wann Militanz vorliegt und worin sie sich zeigt, obliegt der Interpretation der Polizeieinsatzleitung. Demonstrationen können außerdem von Staats wegen beendet werden, wenn es der Versammlungsleitung nicht gelingt, angebliche Störer zu entfernen. Das ist ein gefundenes Fressen für eingeschleuste Provokateure -“ man denke nur an Heiligendamm.

Welche Folgen fürchten Sie insbesondere mit Blick auf betriebliche und gewerkschaftliche Proteste?

Der Gesetzentwurf enthält einen Paragraphen zu sogenannten Eilversammlungen, worunter auch gewerkschaftliche Streiks fallen können. Demnach wäre schon das Aufstellen von Streikposten als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu sehen, und die Aktion müßte 72 Stunden vorher angezeigt werden. Daneben müßte sich der Veranstaltungs- oder Streikleiter unter Angabe persönlicher Daten auf seine "Eignung" und "Zuverlässigkeit" überprüfen lassen. Und was ist mit dem Uniformierungsverbot? Fallen darunter nicht vielleicht auch Streikwesten, ver.di-T-Shirts, Blaumänner oder Arbeitsbekleidung?

Die Regierung behauptet, die Veränderungen dienten vor allem dem Schutz vor einem "Mißbrauch durch Rechtsextremisten". Wie glaubhaft ist das?

Wenn dem so wäre, warum wird dann nicht über ein generelles Verbot von Versammlungen mit rassistischem, diskriminierendem, kriegsbefürwortendem, faschistischem Inhalt diskutiert? Warum soll im Gegenteil der antifaschistische Protest gegen Naziaufmärsche sogar weiter behindert werden? Und zum Thema "Schutz" vor Rechtsextremisten nur soviel: In Baden-Württemberg wurden bis vor kurzem Jugendliche, die ein durchgestrichenes Hakenkreuz trugen, noch kriminalisiert.

Wogegen könnte die Regierung mit dem neuen Gesetz vorgehen wollen?

Im Frühjahr 2009 findet der NATO-Gipfel in Baden-Baden statt. Bis zu 15000 Polizisten sollen angekarrt werden, um die Gipfelteilnehmer zu "schützen". Dort sollen Gipfelgegner zum ersten Mal im großen Stil entsprechend ihrer Protestformen gespalten werden. Soweit darf es nicht kommen.

Du bist nun im Bilde

Du bist nun im Bilde

Bei der Maifeier
hast Du bemerkt,
wie man Dich fotografiert,
heimlich,
von einem Fenster aus,
über den Köpfen der Leute
hier auf dem Marktplatz,
und man hat Dir gesagt,
das sei jetzt oft so.
Du hast also nur entdeckt:
So nimmt man Dich auf!

Aber das ist natürlich
kein Anlaß, beunruhigt zu sein.
Denn Du weißt, Du bist schuldlos, und
auch wenn Deine Akten jetzt anwächst irgendwo,
wie die Vorurteile nun anwachsen werden
an Dir:
Du kannst gewiß sein,
Du wirst das schon los,
ganz bestimmt.

Kein Grund auch,
ohne Vertrauen zu sein
zu denen da oben, die
ja nur ihre Pflicht tun und zu Dir
hier unten so ohne Vertrauen sind.
Glaub es, das geht schon in Ordnung,
in irgendeine Ordnung geht das schon.
Das wird sich aufklären lassen,
kannst Du Dir sagen.
Auch wirst Du keinen Verdacht
ausräumen müssen, später einmal.
Du wirst nur, wenn es um Deine Einstellung geht,
freundlich sein müssen
bei einem Gespräch über Möglichkeiten,
deren Möglichkeit Du doch einräumen mußt.
Also, habe keine Angst,
jetzt und wenn es so weit ist:

Sie machen sich ja nur ein Bild von Dir!


Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Holdger Platta aus: Das Blaue vom Himmel. Bilder, Gedichte, Aphorismen und Kurzprosa zur deutschen Verdrängung von Zukunft und Vergangenheit. GEGENWIND VERLAG Göttingen 1983, Seiten 28 und 29
Siehe auch:
Dr. Dieter Porth
Gert Flegelskamp
Martin Pausch

VVN-BdA: Stellungnahme und Überblick zum vorliegenden Regierungsentwurf eines Versammlungsgesetzes in Baden-Württemberg

VVN-BdA: Stellungnahme und Überblick zum vorliegenden Regierungsentwurf eines Versammlungsgesetzes in Baden-Württemberg

Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat den Entwurf für ein neues Versammlungsgesetz vorgelegt, der sich eng an das umstrittene neue bayrische Gesetz anlehnt.

Die Landesregierung gibt vor, mit diesem Gesetzentwurf das Versammlungsrecht vor dem „Missbrauch von Extremisten“ zu schützen. Angeblich bedeute es eine “erhebliche Erleichterung für die Veranstalter und Behörden“.

Angesichts dieses Entwurfes, der in Wirklichkeit erhebliche Erschwernisse und Einschränkungen für die Veranstalter beinhaltet, muss es den demokratischen Kräften und Organisationen nun in Wirklichkeit darum gehen, das grundgesetzliche Recht auf Versammlungsfreiheit vor dem Missbrauch durch Innenminister und Regierungsmehrheit Behörden und Polizei zu schützen.

Der vorliegende Entwurf atmet den Geist des Obrigkeitsstaates aus Kaisers Zeiten, der Gängelung und Überwachung der BürgerInnen und den Versuch die Versammlungsfreiheit Grundlage der freien Diskussion und Meinungsbildung in einem demokratischen Staat zu beschneiden.

Zur Erinnerung:

Artikel 8 Grundgesetz

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis, friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.

I. Ausdehnung des Versammlungsgesetzes auf nicht öffentliche Versammlungen bzw. jede menschliche Begegnung

Während das bisherige Gesetz nur öffentliche Versammlungen den gesetzlichen Regelungen unterwirft, definiert das neue Gesetz jede Begegnung von Menschen („Zusammenkunft von mindestens zwei Personen“ § 2,1) die „überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung“ gerichtet ist, als Versammlung im Sinne des Gesetzes und unterstellt sie damit der behördlichen, polizeilichen und justitiellen Kontrolle.

D. h. jede politische Diskussion, am Stammtisch, im Ehebett, im Büro oder in der Straßenbahn, unterliegt besonderer behördlicher Aufsicht.

Zwar beziehen sich die meisten der Bestimmungen des Gesetzes weiterhin nur auf öffentliche Versammlungen, aber mit der ausdrücklichen Einbeziehung von nicht-öffentlichen Versammlungen in das sogenannte „Uniformierungs- und Militanzverbot“ § 7 und das „Störungsverbot“ § 8 ist ein Anfang behördlichen Einflusses auf alle Zusammenkünfte, weit über die Gebote des Strafgesetzes hinaus und jenseits des Grundgesetzes gemacht.

II. Einschneidende Verschärfungen für alle Versammlungen im Saal wie unter freiem Himmel

- Während bisher nur ein Versammlungsleiter rechtsrelevant war, gibt es nun für jede Versammlung auch einen Veranstalter, der ebenfalls Pflichten zu erfüllen hat und ggf. der Strafverfolgung unterliegt.

- Ein „Störungsverbot“ gilt nun neu für alle Versammlungen. § 8 und § 20,3.

Es bezieht sich vor allem auf die Verhinderung oder Behinderung von Versammlungen oder den Aufruf dazu und ist mit Freiheitsstrafe (bei Gewaltandrohung bis zu 2 Jahren) ansonsten bis zu einem Jahr bei erheblicher Störung oder bei Widerstand gegen einen Ordner. D.h. jeder Protest, insbesondere schon der Aufruf zum Protest z.B. gegen einen Nazi-Aufmarsch, ein Bundeswehrgelöbnis, einen NATO-Gipfel oder auch nur gegen besonders schlimme Sprüche in Straßenbahn oder am Stammtisch ist (über die geltenden Strafgesetze hinaus) strafbar.

- Das bisherige Uniformverbot wird durch ein „Militanzverbot“ ergänzt. (§ 7) Es gilt nicht nur für Versammlungen unter freiem Himmel, sondern eben auch für Versammlungen im Saal und ermöglicht den Eingriff der Polizei in Saalveranstaltungen, sofern der „Eindruck der Gewaltbereitschaft“ erweckt wird.

- Der Versammlungsleiter wird generell für „Gewalttätigkeiten, die aus der Versammlung heraus begangen werden“. verantwortlich gemacht. Er hat die Pflicht geeignete Maßnahmen zu ergreifen bzw. ggf. die Versammlung selbsttätig zu beenden.

- Damit kommen ohne jede Definition neue Rechtsbegriffe in Umlauf, „Gewaltbereitschaft“ bzw. „gewaltbereite Anhänger“, von denen sich der Versammlungsleiter bußgeldbewehrt zu distanzieren hat. Was „Gewaltbereitschaft“ ist und wie sie erkannt werden kann, bleibt dem Ermessen der der Behörde überlassen.

II. Verschärfungen für Versammlungen im Saal (die laut Grundgesetz keinerlei Einschränkungen unterliegen).

- In jeder Einladung zur Versammlung muss ein „Veranstalter“ also wohl eine juristische Person benannt werden. Eine beträchtliche Hürde für eine spontan entstehende Bürger- oder Jugendinitiative.

- Pressevertreter dürfen aus keiner Versammlung ausgeschlossen werden (auch nicht wenn sie von einer Nazi-Zeitung kommen).

- Der Polizei muss Zutritt gewährt werden.

- Es muss einen benennbaren Versammlungsleiter geben.

- Die Behörde kann die Personalien des Versammlungsleiters während oder im Vorfeld der Versammlung anfordern.

- Die Behörde erhält das Recht, Auflagen für Versammlungen im Saal zu machen, z.B. eine bestimmte Zahl von Ordnern zu verlangen.

- Die Personalien der Ordner müssen auf Verlangen während oder im Vorfeld der Veranstaltung angegeben werden.

- Die Ordner müssen volljährig sein.

- Die Behörde kann Ordner ablehnen (aber an ihrer auferlegten Ordnerzahl festhalten)

- Auch Saalveranstaltungen können verboten werden, wenn “Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.“ (sofern es sich dabei nicht einfach um einen Denk- oder Formulierungsfehler handelt, wird künftig jede öffentliche Diskussion von Strafgesetzen, Strafurteilen etc. verboten.

Insgesamt erhalten Behörden und Polizei mit diesen neuen Bestimmungen ein breites Instrumentarium, Versammlungen im Saal zu erschweren, zu be- und auch verhindern oder auch nur die Veranstalter zu schikanieren und mit strafbewehrten Vorschriften einzuschüchtern. Insbesondere die Sammlung der persönlichen Daten von Leiter und OrdnerInnen, also aktiven Teilnehmern der Versammlung, bedeutet ein hohes Maß an behördlicher Einschüchterung, die in einer Demokratie nicht geduldet werden kann.

III. Verschärfungen für Versammlungen unter freiem Himmel



- Anmeldung 72 Stunden (bisher 36) vor Bekanntmachung (Es gibt eine auslegbare Ausnahmeregel für Spontanversammlungen)

- Höhere Anforderung an die Anmeldung: z.B. müssen mitgeführte Gegenstände angegeben werden. (Das ist nach aller Erfahrung zwar für die benötigten größeren technischen Hilfsmittel (Bühne, Beschallungsanlagen) nicht aber wie immer wieder bereits in der Vergangenheit gefordert, für Fahnen Transparente, Musikinstrumente, Megafone, dekorierte Handwagen, Pappmaché, Utensilien etc. praktikabel).

- Die Behörde kann den Versammlungsleiter aus vagen Verdachtsgründen ablehnen §15, 5

- Personalien der Ordner (nach den Auflagen der Behörde) müssen im Vorfeld angegeben werden. Damit erhält die Behörde eine Datei der besonders aktiven Versammlungsteilnehmer und erschwert gleichzeitig die Organisation jeder Versammlung z.B. durch unangemessen hohe Ordnerzahlen.

- Ordner können aus vollkommen willkürlichen Gründen abgelehnt werden

(Wenn sie nach Ansicht der Behörde „ungeeignet sind“, den Versammlungsleiter „zu unterstützen“ § 15.6.1

- Bei der Entscheidung über Beschränkung oder gar Verbot der Versammlung spielen die „Rechte Dritter“ eine Rolle. Also z.B. Geschäftsleute, die Umsatzeinbussen befürchten.

- sehr geringe Hürden für den Eingriff der Polizei in die Demonstration. Wenn Anhaltspunkte für erhebliche Gefahren für Sicherheit und Ordnung bestehen darf die Polizei

o Filmen und fotografieren

o vor, während und nach der Demo die Personalien feststellen und ggf. die Leute mitnehmen § 18 u. 19

- Die rigorosen bisherigen Bestimmungen zur „Mitführung“ von „Schutzwaffen“ (Gegenständen, die dazu bestimmt sind Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren - also z. B. Regenmäntel) oder „Gegenständen, die geeignet sind, die Feststellung der Identität zu verhindern“ werden beibehalten, (Strafandrohung 1 Jahr Gefängnis § 20,) allerdings generell Ausnahmen für Prozessionen, Faschingsumzüge und Volksfeste zugelassen.

- Neu eingeführt: Verbot „im Anschluss oder im Zusammenhang“ mit Versammlungen, sich „mit anderen zu einem gemeinsamen friedenstörenden Handeln zusammenzuschließen“. (Damit dürfte wohl gemeint sein, wenn sich Teilnehmer einer angemeldeten Versammlung nach Schluss einer Kundgebung einem Naziaufmarsch entgegen stellen.)

Alle diese Neuerungen erschweren offenkundig alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, also nicht nur, wie gerne vorgeschoben, Aufmärsche von Nazis. Im Gegenteil: Besonders ausgefeilt sind solche Bestimmungen, die gerade Protestaktionen gegen Naziaufmärsche erschweren und unter Strafandrohung stellen.

IV. Neuerungen zur Verhinderung faschistischer Betätigung?

Dagegen findet sich in § 17 eine Bestimmung die sich ausdrücklich gegen faschistische Versammlungen an Gedenkorten „der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ bzw. an den Gedenktagen 27. Januar und 9. November richten, sofern „zu besorgen ist, dass durch diese Versammlung die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.“

Das sind allerdings Orte und Tage, die bisher zumindest in Baden-Württemberg von Naziveranstaltern nicht wahrgenommen wurden.

Gedenktage und -anlässe, an denen in der Vergangenheit tatsächlich Naziaufmärsche stattfanden oder versucht wurden, wie der 30. Januar, der 1. oder der 8. Mai sind im Gesetz nicht aufgeführt und nicht berücksichtigt. Es muss also auch in dieser positiven Bestimmung eine eher kosmetische Absicht vermutet werden.

Wäre wirklich eine Beschränkung von Versammlungen beabsichtig, die die Würde der Nazi-Opfer beeinträchtigen, dann wäre ein generelles Verbot von Versammlungen mit rassistischem, diskriminierendem, gewaltverherrlichendem, kriegsbefürwortendem, faschistischem Inhalt angebracht.

V. Fazit

Dieser Entwurf eines Versammlungsgesetzes wird weder dem Anliegen gerecht, faschistische Betätigung zu begrenzen, noch modernisiert, verbessert oder erleichtert er Versammlungen im Sinne des Grundgesetzes.

Im Gegenteil: Dieses Versammlungsgesetz schränkt ein ohnehin schon beschränktes Grundrecht weiter ein, belegt Veranstalter mit bürokratischen Schikanen, unterwirft VersammlungsteilnehmerInnen zusätzlicher polizeilicher Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten. Er behindert Protest gegen Naziaufmärsche.

Statt demokratische Betätigung, Diskussion und Meinungsbildung zu unterstützen stellt dieses Gesetz jeden Bürger, der bereit ist sich öffentlich an den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu beteiligen unter den misstrauischen Verdacht, ein Störer der öffentlichen Ordnung zu sein. Mit diesem Gesetz kann Demokratie nicht gelebt werden. Es erstickt sie!
Via StattWeb

Die Hexenjagd geht weiter: Vorsicht vor Deinem Nachbarn

Nachdem vor einiger Zeit Hartz IV Empfänger als Terrorverdächtige galten sind jetzt weit unverdächtiger erscheinende Zeitgenossen ins Visier der Terrorfahnder geraten. Dazu informiert der Geheimdienst in der "Welt" vom 27. September 2008:
"Die besondere Gefahr, die von Breininger ausgeht, wird von Sicherheitsfachleuten darin gesehen, dass er sich mit dem Aussehen eines deutschen Bürgers und nicht mit Bart und in islamischer Aufmachung unbemerkt mit seinem Sprenggürtel unter die Leute mischen kann. "

Hintergrund der geschürten Terrorismus - Hysterie ist der Wunsch nach weiter verschärften "Sicherheitsgesetzen" für die gegenwärtig die CDU trommelt. Da momentan - wenn man Umfragen glauben darf - noch die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine solche Verschärfung ist wird jedes Propagandamittel eingesetzt, um diese Stimmung zu zersetzen. Dazu erhalten beispielsweise bei der "Welt" auch problemlos Rassisten und Folterbefürworter ein Forum für ihre Äußerungen:

Quelle: Screenshot von der "Welt" am 28.09.2008 11:00


Via "Wer gar zuviel bedenkt wird wenig leisten" und "annalist"

Stammheimer Schauprozess wird fortgesetzt

Zur Zeit findet in Stuttgart-Stammheim ein - leider nicht nur von bürgerlichen Massenmedien - weitgehend unbeachteter Prozess gegen 5 Linke statt. Ihnen wird gemäß dem Paragraphen 129b die Mitgliedschaft in einer verbotenen ausländischen Organisation -“ konkret der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) -“ vorgeworfen. Der Prozess reiht sich in den "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" ein, ein Schlagwort, mit dem heutezutage beliebige - vor allem jedoch fortschrittliche und revolutionäre oppositionelle Bewegungen mit einem Bannfluch belegt werden können. Wie auch immer man im einzelnen zur Programatik und politischen Praxis der DHKP-C stehen mag, bleibt festzustellen, daß hier offensichtlich ein Prozeß stattfindet, der durchaus als "Testlauf" in der Anwendung des "Terrorismusparagrafen" 129b mit im Falle einer Verurteilung weitreichenden Konsequenzen für migrantische, vor allem revolutionäre Organisationen und internationalistische Arbeit gesehen werden kann. Der bisherige Verlauf der Verhandlungen spricht Bände. Seit dem 28. Juli 2008 läuft die Anhörung des rechtskräftig wegen MIT-Arbeit verurteilten Hauptbelastungszeugen Hüseyin Hiram.
Die Anklage basiert bisher allein auf der Aussage des ehemaligen deutsch-türkischen Doppelagenten Hüseyin Hiram, dem ein Gutachter schwere psychische Störungen attestierte und der vor Gericht immer wieder behauptet, sich nicht genau erinnern zu können. Außer an den Waffendeal, den beschreibt er dezidiert -“ wenn auch in verschiedenen Varianten.

Auch in der zweiten Vernehmungswoche beschimpfte Hiram mehrfach die Angeklagten und verwickelte sich permanent in Widersprüche. Außerdem bestritt er vehement seine Tätigkeit für den türkischen Geheimdienst MIT sowie den Verfassungsschutz (VS) Rheinland-Pfalz. Letzteres wurde in einem anderen Verfahren von der Staatsschutzbehörde indes bestätigt.

Am Mittwoch setzte Hiram dann seine Selbstdemontage fort: Er erfände gerne Geschichten und stünde gern im Mittelpunkt, gab er zum besten. Außerdem sähe er sich in seinen Erzählungen gern im Zusammenhang mit wichtigen Persönlichkeiten. Dann outete er sich auch noch als Agent des CIA und des israelischen Geheimdienstes Mossad.

Das Gericht legte ihm als Beweismittel für seine MIT-Tätigkeit eine Reihe von Handy-Kurzmitteilungen vor, in denen er sich mit einem Mann namens Tuncay ausgetauscht hatte. Laut des Hamburger Strafverteidigers Heinz-Jürgen Schneider ist davon auszugehen, daß es sich dabei um einen Führungsoffizier des MIT handelt. Hiram hingegen behauptete, Tuncay sei sein älterer Bruder. Aufforderungen von Tuncay per SMS wie "Verlange von ihnen, daß sie dir eine Pistole geben", erschienen selbst dem Gericht als Kommunikation unter Brüdern seltsam. ("junge Welt", 08.08.2008)
Das "Komitee gegen die Paragrafen 129" beurteilt daher den Prozeß als Farce, "die an Absurdität und Lächerlichkeit nur schwer zu überbieten ist" und stellt die berechtigte Frage, wie "dieser Prozess der Wahrheitsfindung dienen soll, wenn der Hauptbelastungszeuge psychisch krank, stark medikasiert und voreingenommen ist und seine Antworten durch die Art und Weise der Fragen des Senates schon vorgegeben werden."
Trotz aller offenkundigen Falschaussagen geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass ausgerechnet seine Aussagen bezüglich des angeblich geplanten Waffenschmuggels glaubwürdig seien. Dass die Angaben eines solchen Gewährsmannes überhaupt zur Verhaftung der Angeklagten führen konnten, ist grotesk genug. Dass auf dieser Grundlage nun seit über 18 Monaten Haftbefehle aufrechterhalten werden, zeigt, dass es den Behörden um die Schaffung eines Präzedenzfalles geht. Mit der DHKP-C wird erstmals eine im Ausland aktive linke Bewegung als "ausländische terroristische Vereinigung" verfolgt. Damit wäre der Verfolgung internationaler Befreiungsbewegungen Tür und Tor geöffnet. ("Rote Hilfe", 10.0.2008)
Darüber hinaus werden vom "Komitee gegen die Paragrafen 129" fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen, insbesondere hinsichtlich der Isolationshaft festgestellt:
Der Gefangene Mustafa Atalay, der zwei Wochen vor seiner Verhaftung am 15. November 2006 in der Rehaklinik von Bad Bevensen eine Herzoperation über sich ergehen lassen musste, bei der ihm Bypässe gelegt worden waren, befindet sich seitdem in Isolationshaft. Die durch die Operation geöffneten Herzgefäße sind aufgrund der Haftbedingungen wieder verstopft. Statt einer notwendigen zweiten Operation zur Öffnung der Gefäße wurden ihm lediglich Stands gelegt, die keine dauerhafte Lösung darstellen.

Drei unabhängige GutachterInnen haben beim Gefangenen Ilhan Demirtas eine Psychose diagnostiziert. Ein vom Gericht beauftragter Arzt jedoch unterstellt dem Gefangenen Demirtas, dass er seine Leiden nur simuliere, um bessere Haftbedingungen zu erhalten.

Die drei weiteren Gefangenen -“ Ahmet Düzgün Yüksel, Hasan Subasi und Devrim Güler - befinden sich weiterhin in Isolationshaft, welche bekanntlich international als Folter geächtet ist.
Menschenrechtsverletzungen finden offenbar nicht nur in Guantanamo statt. Die dortigen Zustände - jahrelang verschwiegen, verharmlost und abgestritten - werden medial oftmals als "Begleiterscheinung des Kampfes gegen den Terror" verharmlost, die in Deutschland eher undenkbar seien. Dabei sind die Stammheimer Verfahren sind nicht losgelöst von der Geschichte der Repression in Deutschland zu sehen. Sie stehen vielmehr in deren Tradition, vom Verbot der KPD 1956 über die Repression gegen die Gegner der Wiederbewaffnung über die RAF Prozesse in Stammheim bis hin zu den rechtswidrigen Hausdurchsuchungen bei G8 Gegnern im vergangenen Jahr im Vorfeld des G8 Gipfels in Heiligendamm oder auch dem "mg Verfahren". Sie werden aktuell flankiert von der Verschärfung des bayerischen Versammlungsrechtes und der geplanten Verschärfung des Versammlungs- und Polizeigesetzes in Baden- Württemberg.

Der Öffentlichkeit wird die Prozessbeobachtung durch einen Besuch der Verhandlungen zwar formal gestattet, jedoch mit Einlaßkontrollen, Erfassung der Personalien usw. derart vergällt, daß nicht nur der Eindruck entsteht, daß derartiges nicht erwünscht ist. Bei den kommenden Prozesstagen am 15.09., 17.09., 22.09. und am 24.09. besteht die Möglichkeit, sich trotzdem selbst ein Bild zu machen. Für weitere Informationen, auch zu bisherigen Prozessberichten empfiehlt sich die Seite des "Komitee gegen die Paragrafen 129".

Abflug: Antirassismus - Aktion im Flughafen Hamburg

Kurz bevor wir gestern aus Hamburg abgereist sind, fand im Terminal 1 des Hamburger Flughafens eine Aktion gegen Abschiebungen statt. Siehe auch den Bericht von "Antira-AktivistInnen & kinoki now!" auf IndyMedia zu den Aktionen am 22.08.



Die Aktion, bei der im Rahmen des Antira / Klimacamps von den AktivistInnen Flyer verteilt wurden, ist von Sicherheitskräften und Polizei schnell und recht rabiat gegenüber den friedlichen TeilnehmerInnen beendet worden. Siehe auch den Bericht bei IndyMedia.

Eine Seefahrt die ist lustig...

Gestern hatte ich mir den Hamburger Hafen mal unter anderen Gesichtpunkten, wie ihn normalerweise Touristen mit den sonst üblichen Hafenrundfahrten erleben, ansehen können. Im Rahmen des Antira/Klimacamps in Hamburg - Lurup wurde eine alternative Hafenrundfahrt durchgeführt, in dem die Geschichte des Hafens im Kontext zur Geschichte und aktuellen Lage der Migration gestellt wurde. Es wurde in mehreren konkreten Beiträgen, die teilweise auf dem Camp entwickelt wurden deutlich gemacht, daß es sich dabei durchaus nicht um Ereignisse aus der Mottenkiste des deutschen Imperialismus handelt, über die dieser gerne -“ wie beispielsweise im Falle des Völkermordes an den Herero und Nama -“ den Mantel des Schweigens breiten würde.

Auch heute versuchen Menschen vor den Folgen des Raubaus an den Ressourcen durch internationale Großkonzerne in ihren Heimtländern und der damit meist einhergehenden politischen Repression zu flüchten. Oft ist nach teilweise jahrelanger Odyssee das Ziel die Bundesrepublik Deutschland. Dabei gehen diese Menschen verzweifelt Risiken ein. Nicht nur, daß beispielsweise in Hamburg nur ca. 10 blinde Passagiere im Jahr -“ falls sie die Überfahrt überhaupt überleben - überhaupt dazu kommen, einen Asylantrag zu stellen.
Sofern ihnen die Einreise gelingt besteht die einzige Möglichkeit, durch Arbeit an Geld zu kommen, oft darin, einen „illegalen“ Job als Hilfsarbeiter im Hafen anzunehmen, mit allen Konsequenzen wie völliger Rechtlosigkeit, lächerlicher Löhne, gefährlicher Arbeit -“ von Sozial- und Krankenversicherung natürlich völlig abgesehen.

Die Rundfahrt gab hier ca. 100 interessierten Menschen -“ meist TeilnehmerInnen des Camps einen konkreten Einblick.

Eine weitere Station war das umstrittene und laut "Welt" offenbar ohne endgültige Genehmigung im Bau befindliche Kohlekraftwerk Moorburg. Während jeder kleine Schrebergärtner, der seine Hütte auch nur um einen halben Meter höher baut als vorgesehen, alsbald Probleme mit dem Amt bekommt und selbige abreißen darf, ist das in diesem Fall offensichtlich kein Problem:
Um das Kraftwerk genehmigt zu bekommen, handelte Vattenfall mit dem CDU-Senat im November eine umstrittene Vereinbarung aus. Darin verpflichtet sich der Konzern zu Umweltschutzmaßnahmen, unter anderem zu einer CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Der Energiekonzern verspricht, “spätestens zum 31.12.2013 genehmigungsfähige Anträge- für die Zulassung einer solchen Anlage einzureichen und sie drei Jahre nach der Genehmigung in Betrieb zu nehmen. Vattenfall gibt sich damit extrem optimistisch, denn alle Experten gehen von einer Verfügbarkeit frühestens im Jahr 2020 aus. Im CDU-Wahlprogramm steht jedenfalls: “Das neue Kraftwerk soll eine CO2-Abtrennung erhalten und ist damit technologisch wegweisend.-
(Via Klimalügendetektor)

Die Moorburger Baustelle wurde gestern von einigen Aktivisten teilweise besetzt. Von der Barkasse aus wurden lautstark solidarische Grüße übermittelt. Die Barkasse wurde zeitweise von 5 (!) Booten der Hamburger Polizei daran gehindert, sich der Baustelle zu nähern.

Bilderserie: Besetzter Baukran auf der Baustelle Moorburg

Dieselben Polizeiboote waren jedoch nicht in der Lage, ein Binnenschiff, das die Barkasse beinahe in voller Fahrt gerammt hatte, von dieser Aktion abzuhalten.

Die Gefahr geht für die Polizei und die politisch Verantwortlichen offenbar nicht von derartigen Idioten oder gar den Machenschaften der Energiekonzerne sondern von denen aus, die in Gefahr gebracht werden und sich dagegen wehren. In dieselbe Kerbe haut vor allem auch das "Hamburger Abendblatt".

Bilderserie: Eines der fünf Polizeiboote vor der Baustelle

Das Camp geht noch bis zum 24.08.2008, am Freitag ist eine Demonstration zum Abschiebeflughafen in Hamburg Ohlsdorf vorgesehen.

"Die Botschaft hör' ich wohl..."

Im "roten Blog" wurde eine Stellungnahme zum Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom Mittwoch, 16. Juli 2008 veröffentlicht. Es ging dabei um die Klage von Michael Backmund gegen den Freistaat Bayern: Der Polizeieinsatz gegen eine dju-Veranstaltung war rechtswidrig - die Polizei darf Versammlungen in geschlossenen Räumen nicht beobachten und überwachen. Ein Anwesenheitsrecht gibt es für die Polizei nicht. Auch wenn diese sich das einbildet.

Ähnliche gerichtliche Entscheidungen gab es in der Vergangenheit immer wieder. Was die Polizei kaum daran hinderte, erneut demokratische Rechte mit den Füßen zu treten:

Hamburger Kessel (1986), Einsatz gegen Antifaschisten in Hamburg (2004) und Braunschweig (2005), Frankfurt (2008), die Razzien gegen G8 Gegner (2007) usw. usf.

"... allein, mir fehlt der Glaube", daß sich daran in Zukunft etwas ändern wird. Ein Zweck solcher Repressionen besteht bekanntlich "in erster Linie in der Einschüchterung, Ausforschung und Kriminalisierung" von Protesten. Und darauf werden die kaum verzichten. Grade aus dem Grund sind Proteste gegen Repressionen so wichtig wie die Stärkung von Antirepressionsorganisationen.

Bilderserie: Kuhherde trampelt durch G8 Protestkundgebung, Rostock, 2. Juni 2007

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